Nicht wegen des Fußballs haben wir die WM geschaut, sondern wegen der Hoffnung auf das Gemeinschaftserlebnis

Es hätte eins werden können. Wir haben zwar nicht dran geglaubt: "Wer guckt das schon?", "Die spielen doch viel schlechter!" und "Lässt mich kalt". Aber gehofft haben wir schon drauf. Auf das neuerliche Sommermärchen. Deshalb haben wir die Spiele der Deutschen Frauen bei der hierzulande ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft geguckt. Die Einschaltquoten waren ausgezeichnet. 15,41 Millionen schauten das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Kanada, das entsprach einem Marktanteil von 60, 1 Prozent. Und so ähnlich ging es weiter. Aber das Märchen, das blieb aus.

Wer durch die Straßen ging, sah, dass in den Kneipen die Fernseher liefen und bei den Spielen der Deutschen sogar zugeschaut wurde. Dem wurde warm ums Herz. Nicht in Gedanken an die Mannschaft, aber in Gedanken an den Funken. Würde er überspringen? Fiel ein Tor, gab es sogar Torjubel, zwar nicht so laut und unbändig, aber wenigstens abklatschen konnte man sich. Wenn die Mannschaft nur durchhalten würde bis zum Finale, dann würde vielleicht auch Corso gefahren. Dann wäre es vielleicht wieder so weit gewesen. Wären wir auf der Welle mitgeschwommen. Hätten es erlebt, das einende Gefühl in der Gemeinschaft. Und auf dem Weg zum Ziel wären wir wie high gewesen. Märchenmäßig. Doch so weit kam es ja nicht. Weil die Mannschaft gegen Japan im Viertelfinale rausflog, vor den Augen von 17,01 Millionen Zuschauern, Marktanteil 59,2 Prozent. Wahnsinnsquote, könnte man meinen. Doch woher kam sie? Die Antwort ist bitter. Der Zuschaueranteil galt nicht den Spielerinnen, sondern der Sehnsucht nach etwas Großem, das sie hätten vollbringen sollen in unserer an Gemeinschaftsmomenten armen Zeit.

Die große Gemeinde Europa, sie bröckelt. Missmutig beobachten wir die Griechen, die Italiener, vielleicht bald die Spanier und Portugiesen. Lange ist unsere Interrail-Reise her, wo alles noch zusammenwuchs. Die Kanzlerin ist schon lange nicht mehr Landesmutter. Unauffällig ist sie da, wo sie regieren sollte. Und der Präsident, ach der. War da mal wer? Die Krise ist zwar ausgestanden, profitieren tun doch andere. So wollten wir wenigstens das Märchen. Mitfiebern mit den Helden - gerade kannten wir ein paar Namen der Spielerinnen - oder wenigstens den von einer. Doch die, auf die sich Medien und Zuschauer als Identifikationsfigur geeinigt hatten, verletzte sich. Es schien, als ob mit Kim Kuligs Kreuzbandriss auch das Band der Hoffnung zwischen Zuschauern und Mannschaft zerrissen wurde. Und Birgit Prinz durfte gar nicht erst mitspielen. Nach dem Ausscheiden fühlten wir uns wie sie, enttäuscht standen wir neben ihr am Spielfeldrand.

Den Kampf um WM-Platz 3 am Sonnabend verfolgten nun noch 4,8 Millionen, Marktanteil 33,6 Prozent, immerhin, ist ja ein schönes Nebenbei-Programm. Und gestern schauten wir auch das Finale. Mehr zum Mitreden als zum Mitfühlen. Denn unser Märchen war das nicht.