Die Altistin Wiebke Lehmkuhl singt Wagner, Brahms, Händel - alles mit eigenem Stil

Travemünde. "Wenn mich die Leute früher gefragt haben, was ich werden will, habe ich immer gesagt: reich und berühmt". Das warmherzige Lachen, mit dem sich Wiebke Lehmkuhl an diesen Spruch erinnert, zeugt von einer gesunden Distanz zu ihrem Kindertraum. Dabei durfte sie vor Kurzem wenigstens mal dran schnuppern. Denn Anfang Juli hat die Altistin bei der fürstlichen Hochzeit in Monaco gesungen - und einen kleinen Einblick in die vermeintliche Märchenwelt bekommen. "Das war schon sehr irreal. Ich wurde von Nizza mit dem Helikopter eingeflogen und dann im Luxuswagen gefühlt mit Blaulicht durch die abgesperrte Innenstadt von Monaco gekurvt, bis fast in den Palast hinein."

Ihr Abstecher ins monegassische Glitzerreich war - was den Glamourfaktor angeht - der bisherige Höhepunkt einer steilen Karriere. Bereits mit 25 Jahren, noch vor Ende des Studiums, bekam Wiebke Lehmkuhl ein Festengagement am Zürcher Opernhaus und debütierte dort mit der Erda in Wagners "Rheingold"; sie hat bereits unter Nikolaus Harnoncourt im Wiener Musikverein gesungen und mit Riccardo Chailly das Weihnachtsoratorium aufgenommen.

Den ganzen Erfolg nimmt sie sehr gelassen. Trotz Hubschraubereinsatz hebt die sympathische Oldenburgerin nicht ab - dafür sorgen schon ihre Freunde: "Ich hab ihnen gesagt, dass sie sich bei den leisesten Anzeichen auf meine Füße setzen sollen." Aber das dürfte kaum nötig sein. Mit ihrem dezenten Kleidungsstil und einem natürlichen Charme ist Wiebke Lehmkuhl so ziemlich das Gegenteil einer zickigen Diva. Kein Wunder, dass sie im Bekanntenkreis als "Harmonietierchen" gilt.

Ihre gesunde Erdhaftung könnte auch mit der Herkunft zu tun haben: Die braunhaarige Sängerin mit den warmgrünen Augen ist eine bodenständige Norddeutsche. Ihr außergewöhnliches Talent kam erst allmählich zum Vorschein. "Ich habe schon mit zwölf Jahren im Oldenburger Jugendchor gesungen - aber mir kam nie die Idee, dass ich Sängerin werden könnte. Bei der Aufführung eines Stücks von Zelenka gab es dann mal ein kleines Solo, und unser Chorleiter hat mich gefragt, ob ich das nicht machen möchte. Als ich ihm vorgesungen habe, war er ziemlich angetan und hat mir ein paar Telefonnummern gegeben. So lernte ich meine Hamburger Gesangslehrerin Ulla Groenewold kennen."

Vor der ersten Begegnung hatte Wiebke Lehmkuhl ein bisschen Bammel - denn Groenewold, eine bedeutende Pädagogin, hatte ihr angekündigt, sie unterrichte nur noch Schüler mit Aussicht auf eine professionelle Karriere. Nach der ersten Stunde waren die Weichen dann gestellt. "Ich weiß noch, wie ich in der U 1 von Volksdorf in Richtung Hauptbahnhof fuhr und mir klar war, dass ich jetzt Sängerin werden will."

Gedacht, getan. Sie zog nach Hamburg, begann zunächst mit Schulmusik, und wählte dann das Hauptfach Gesang, in dem sie zusätzlich von Hanna Schwarz unterrichtet wurde. Neben ihren beiden Lehrerinnen hat sie auch ein berühmtes Vorbild beeinflusst. "Eine Sängerin, die ich sehr schätze, ist Anne Sofie von Otter. Früher habe ich manchmal CDs aufgelegt und versucht, ihren Klang zu imitieren."

Diese Zeiten sind natürlich längst vorbei: Wiebke Lehmkuhl hat ihre eigene, wunderbar warme Farbe und einen eigenen Stil gefunden. "Mir ist die Botschaft der Musik sehr wichtig, deshalb arbeite ich viel mit dem Text. Ich bin keine reine Vokal-Sängerin, sondern lege großen Wert auf die Konsonanten. Außerdem finde ich, auch wenn man ein echter Alt ist, muss deswegen noch lange nicht alles mulmig und dunkel klingen. Ich suche trotzdem auch helle und knabenhafte Farben, wenn es die Musik erfordert - zum Beispiel bei Bach."

Wiebke Lehmkuhl gestaltet barocke Bach- und Händel-Arien ebenso anrührend wie ihre spätromantischen Wagner-Partien. Auch diese stilistische Vielfalt macht sie zu einer herausragenden Erscheinung. Bei ihrem SHMF-Auftritt in Travemünde zeigt die 27-jährige Sängerin - die sich gemeinsam mit ihrer Frau Katrin am liebsten bei Fahrradtouren durch Schweden erholt - noch eine weitere Facette ihres Könnens. "Auf den Abend freue ich mich sehr. Der Liedgesang kommt bei mir momentan viel zu kurz - deshalb fand ich es sehr schön, einige Lieblingsstücke auszuwählen. Brahms zum Beispiel ist mir sehr nahe; die Naturbeschreibung in seiner 'Feldeinsamkeit' erinnert mich an meine Kindheit, als wir immer auf Spiekeroog Urlaub gemacht haben."

Apropos Kindheit: Im Rahmen des Konzerts bekommt Wiebke Lehmkuhl den mit 10 000 Euro dotierten Förderpreis der Walter- und Charlotte-Hamel- Stiftung. Davon wird sie schon noch ein bisschen reicher und berühmter.

Wiebke Lehmkuhl heute, 20.00, Travemünde, Columbia-Hotel, Casino Travemünde, Kaiserallee 2, Restkarten ab 19,- unter T. 0431/23 70 70