Na, so was: Das neue Album von Blondie ist richtig gut geworden

Wie eine Seniorin sieht sie nicht aus. Debbie Harry, inzwischen 66 Jahre alt, räkelt sich in einem Kostüm auf dem Sessel eines Berliner Luxushotels, präsentiert ihre schlanken Beine und besitzt immer noch mehr Sexappeal als viele, die heute das Bild der Popmusik prägen. Ihre Stimme ist dunkel und angeraut, eine Plaudertasche war sie nie, erst als das Gespräch auf New York kommt, geht sie mehr aus sich heraus und gibt ausführliche Antworten. Doch Debbie Harry steht nicht allein für die Band Blondie. Ebenso wichtig ist Chris Stein, der neben ihr sitzt, bis in die 80er-Jahre war er ihr Lebenspartner.

Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre war Blondie eine der erfolgreichsten US-Bands. Mit ihrem Mix aus Punk, Pop und Electro verkaufte sie 40 Millionen Platten, die exzentrische Debbie Harry wurde zur Ikone ihrer Generation, ein wildes blondes Pin-up-Girl mit immer etwas derangierten Outfits. "Heart Of Glass", "Hanging On The Telephone", "Call Me" und "The Tide Is High" waren die größten Hits der New Yorker New-Wave-Combo.

1982, auf der Höhe ihres Ruhms, endete Blondies Karriere schlagartig, weil Stein von einer tückischen Blutkrankheit heimgesucht wurde und Harry ihn jahrelang pflegte. 1999 startet die Band ein Comeback mit dem Album "No Exit" und einen Nummer-1-Hit mit "Maria", zwölf Jahre später legen sie mit "Panic Of Girls" nach. "Ich bin zwischendrin zweimal Vater geworden", bemerkt Chris Stein entschuldigend, "das hat viel Zeit gekostet."

"Panic Of Girls" ist überraschend gut geworden. Kein schaler Aufguss einer Band, die mit ihrem Namen noch mal abkassieren will, sondern ein Album auf der Höhe der Zeit und musikalisch deutlich besser und ideenreicher als Lady Gagas jüngstes Werk. "Panic Of Girls" klingt wie der Transfer des typischen Blondie-Sounds der 80er-Jahre in die Gegenwart.

Angetrieben von den knallharten Beats von Schlagzeuger Clem Burke beginnt die Platte mit den vorwärtspreschenden Rocknummern "D-Day", "What I Heard" und "Mother". Letzterer Song ist kein Lied zum Muttertag (Debbie Harry ist bei Adoptiveltern groß geworden), sondern die Erinnerung an einen New Yorker Klub im East Village, in dem Debbie Harry abhing, bevor ihre Karriere startete. "Leider gibt's das ,Mother' schon seit zehn Jahren nicht mehr, genauso wenig wie das CBGBs, doch zum Glück entstehen in New York immer wieder neue Klubs, in denen junge Künstler sich ausprobieren können. Viele eröffnen jedoch in Brooklyn, weil Manhattan einfach zu teuer geworden ist", erzählt sie.

"Panic Of Girls", das ist nicht nur harter Dancerock; das Album zeigt auch andere musikalische Facetten, wie sie es schon früher in Blondies Werk gegeben hat. Sie hat sich den Reggae-Hit "Girlie Girlie" vorgenommen, der die jamaikanische Sängerin Sophia George 1985 zum schnell verglühenden One-Hit-Wonder macht, sie singt in der Salsanummer "Wipe Out My Sweat" Spanisch mit deutlich hörbarem Akzent und auch Französisch. "Le Bleu" ist eine Hommage an den von ihr und Chris Stein hochverehrten Serge Gainsbourg. Auch den Song eines jungen Popkünstlers covert Blondie, und zwar "Sunday Smile", im Original von Beirut.

Dass "Panic Of Girls" so modern klingt, hängt auch mit den Produzenten zusammen. Jeff Saltzmann, der in der Vergangenheit für Bands wie die Killers und Papa Roach gearbeitet hat, lässt es richtig krachen. Die Erfolgsgeschichte der Band geht weiter. Und Debbie Harry gibt als Titelfigur immer noch eine imposante Erscheinung ab. Sie ist immer noch dieses faszinierende Wesen aus Glamour und Punk.

Blondie: Panic Of Girls (Embassy Of Music)