Hamburg. Wer bislang geglaubt hatte, die Welt drehe sich um ihre eigene Achse, den belehrte der Reiseschriftsteller Roger Willemsen bei seiner Lesung am Dienstag im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals eines Besseren. Tatsächlich, so überzeugte Roger Willemsen die Hörer im Ernst-Deutsch-Theater auf charmante Weise, dreht sich die Welt ausschließlich um ihn: Roger Willemsen.

Der Autor Roger Willemsen reiste von Patagonien übers Dach der Welt bis zum Nordpol und fand allerorten, so scheint es, nicht fremde Wirklichkeiten, sondern Literatur, Anekdoten und Pointen. Vor allem aber fand er immer wieder sich selbst und Bilder für seinen "inneren Menschen" und dessen Befindlichkeiten. Mit einschmeichelnder, hochgestellter Stimme fabulierte Roger Willemsen kokett über seinen Weltschmerz und Verfall, Krankheit oder Leidende rings um ihn, also über alles, was auf eine diffuse Art bedeutsam und rührselig ist.

Der Musik, mit der Roger Willemsens Lesung untermalt wurde, erging es dabei wie dem Rest der Welt zwischen Minsk und Timbuktu: Sie blieb hauptsächlich Kulisse, in der Roger Willemsen geistreich und formvollendet seine Pirouetten drehte. Die Pianistin Olena Kushpler trug diverse Miniaturen aus 300 Jahren Musikgeschichte von Purcell bis Glass vor, die alle auf den Grundton des Schmachtend-Sehnsuchtsvollen gestimmt waren.

Dass auch sie eine große Geschichtenerzählerin ist, bewies die ukrainische Pianistin vor allem dort, wo sie einmal ein bisschen weiter ausholen durfte wie in Schumanns Arabeske op. 18. Bis fast an den Punkt totalen Stillstands, an dem jeder sinnvolle musikalische Zusammenhang auseinanderbricht, führte die Pianistin in den Mittelteilen Schumanns Tonpoem. Zerfall und Wahnsinn, die Roger Willemsen zuvor wortreich beschworen hatte, hier wurden sie hörbar.