Mitarbeiter sollen als Trittbrettfahrer des verurteilten Herstellungsleiters den Sender um eine halbe Million Euro geprellt haben.

Hamburg. Die Affäre um den Kinderkanal (Ki.Ka) ist trotz der Verurteilung seines ehemaligen Herstellungsleiters noch nicht endgültig aufgeklärt. Marco K. hatte zwischen 2002 und 2010 durch das Ausstellen von Scheinrechnungen für nie erbrachte Leistungen etwa 8,2 Millionen Euro veruntreut. Er wurde vergangene Woche deshalb vom Landgericht Erfurt zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Damit lag es deutlich über dem Antrag der Verteidigung, die eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten für ausreichend hielt. Sie hat nun erwartungsgemäß Revision gegen das Urteil eingelegt.

Gegen weitere Ki.Ka-Mitarbeiter ermittelt die Staatsanwaltschaft - und zwar nicht nur, weil sie Mitwisser sein könnten. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung (SZ)" soll K. im Sender gleich mehrere Trittbrettfahrer gehabt haben. So sollen die freien Mitarbeiter Daniel H. und Ronny D. mittels eigens gegründeter Scheinfirmen auf eigene Rechnung Geld abgezweigt haben. H. war ein enger Mitarbeiter des ehemaligen Herstellungsleiters. Er soll 160 000 Euro unterschlagen haben.

Nach Angaben der "SZ" geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass durch Trittbrettfahrer insgesamt etwa eine halbe Million Euro veruntreut wurde. Derzeit wird gegen sechs Ki.Ka-Mitarbeiter ermittelt. Zudem laufen Ermittlungen gegen sieben Geschäftsführer von Ki.Ka-Dienstleistern, die ihren Sitz in Berlin, Erfurt und Baden-Württemberg haben.

Die neuen Fälle machen deutlich, wie einfach es beim Ki.Ka war, Geld zu unterschlagen. Offenbar musste man dazu nicht einmal wie der ehemalige Herstellungsleiter Marco K. Mitglied der Senderspitze sein. Wenn es sogar freien Mitarbeitern wie Daniel H. und Ronny D. möglich war, den Ki.Ka um einen sechsstelligen Betrag zu erleichtern, kann es mit dessen internen Kontrollen nicht weit her gewesen sein. Dies wirft auch ein bezeichnendes Licht auf den MDR, der federführend bei dem Kanal ist und in der Vergangenheit schon Schauplatz diverser Skandale war. Der amtierende Ki.Ka-Programmgeschäftsführer Steffen Kottkamp und sein Vorgänger Frank Beckmann, nun NDR-Fernsehdirektor, sagten vor Gericht, sie hätten sich für das Rechnungswesen nicht interessiert.

Die ARD-Intendanten wollen nun Konsequenzen ziehen und den Ki.Ka-Etat um eine Million Euro jährlich kürzen. Hintergrund ist, dass zuvor auch niemand bemerkt hatte, dass dem Sender durch K.s Unterschlagungen Jahr für Jahr rund 800 000 Euro fehlten.

Unterdessen hat der MDR die Hoffnung nicht aufgegeben, dass zumindest noch ein Teil der vom ehemaligen Ki.Ka-Herstellungsleiter veruntreuten Summe wieder auftaucht. K. selbst hatte vor Gericht angegeben, das ganze Geld verspielt zu haben. Die Spielsucht sei auch sein Tatmotiv gewesen. Der MDR beschäftigt jedoch einen ehemaligen LKA-Mann, der womöglich noch vorhandene Beträge aufspüren soll. "Es könnte durchaus noch Geld zu finden sein", sagte er der "SZ".