Den US-Rapper Snoop Dogg als harmlosen Clown abzulegen, hieße ihn zu unterschätzen. Am 11.7. spielt er im Stadtpark

Stadtpark. Wenn man sich Snoop Doggs Gedanken - inspiriert von John Nivens Roman "Kill Your Friends" - als Wand aus Flachbildschirmen vorstellt, sähe das Programm wohl so aus: Auf den meisten Kanälen laufen rund um die Uhr Spielfilme für Erwachsene, dazwischen flimmern vereinzelt Teleshops ("Rufen Sie jetzt an für den Nerz d'Elégance und sichern Sie sich unser Jubiläumsangebot für 1500 Dollar"), alte Tupac-Videoclips, Heim&Garten-TV ("Hanf - eine alte Kulturpflanze"), eine Folge "Starsky & Hutch" und wackelige Helmkamera-Bilder einer Polizeidokumentation.

Aber wenn man genauer darüber nachdenkt: Wahrscheinlicher ist doch, dass auf allen Kanälen nur das Testbild läuft. Oder "Pong", die Mutter aller Videospiele. Plipp. Plopp. In seinen Filmen und Videos inszeniert sich Calvin Cordozar Broadus jr. alias Snoop Dogg oft etwas verpeilt, sein Grinsen ist so breit wie die Motorhauben seiner Oldtimer-Flotte und das Genuschel seines selbst kultivierten "Fo' shizzle"-Slangs. Ihn aber als harmlosen Clown, als Harlekin des Westküsten-Hip-Hop abzulegen, hieße ihn schwer zu unterschätzen. Schließlich ist sein langer Weg vom Chorsänger der Golgotha Trinity Baptist Church in Long Beach bis zum fragwürdigen Jugendidol von derart vielen Fallstricken gesäumt gewesen, dass es einem Wunder gleichkommt, ihn heute als 39-jährigen Entertainer der anderen Art auf der Freilichtbühne im Stadtpark zu erleben.

Von den Schusswechseln rivalisierender Gangs in Los Angeles über einen mit blauem "Notwehr"-Auge überstandenen Mordprozess 1993 bis zu regelmäßigen Festnahmen wegen Drogen- und Waffenbesitzes reicht seine Akte - die jeden Buchbinder eine Weile beschäftigen würde. Den Titel für den dicken Folianten könnte man dem aktuellen neuen Album entnehmen: "Doggumentary". Snoop Dogg, der Ideal-Standard-Gangsta, hübschte seine Crime-Folklore noch mit der nötigen Portion Sex auf, produzierte mehrere Pornos und investierte ins Zuhältergeschäft. Den größten Teil seiner Barschaft dürfte er aber in Textil gewordene Scheußlichkeiten gesteckt haben. Der Rest ging in sehr harzig riechendem Rauch auf.

Grenzen zeigte ihm keiner auf, im Gegenteil. Jeder Fehltritt war ein Schritt weiter auf dem Weg zur Hip-Hop-Ikone. Wo in anderen Pop-Genres schon eine harmlose Narretei wie Justin Timberlakes "Nipplegate" reichte, um eine ganze Nation auf die Palme zu bringen, genoss Snoop Dogg kulturelle Narrenfreiheit. Seine bislang elf Alben von "Doggystyle" (1993) bis "Doggumentary" (2011) und die entsprechenden Singles verkauften sich über 30 Millionen Mal. Seine Filmografie umfasst 34 Spielfilme, sieben Dokumentationen, 23 Auftritte in TV-Serien und fünf dieser Filme, in denen viel geliebt, aber nie geheiratet wird. Auch die Liste seiner Werbeverträge ist kaum noch zu überblicken.

Wo bleibt da die Moral? Auf von Dollars gepflasterter Strecke. Nimm dir alles und bekomme noch was gratis dazu, so lautet Snoop Doggs Interpretation des amerikanischen Grundrechts auf das Streben nach Glück. Viele seiner Genre-Kollegen wie 50 Cent definieren sich künstlerisch mehr über das Streben, weniger über das Talent. "Tha Doggfather" aber kombiniert seine aus Überlebenswillen entstandene Status-Gier tatsächlich mit echtem Können.

Zwar werden sich weder Fans noch Snoop Dogg an alle elf Alben erinnern, aber erkennen tut man ihn sofort, wo immer er auf seinen Werken oder zahllosen Kooperationen auftaucht. Rap gewordene Lässigkeit, lakonisch-sanfte Samtkaskaden auf teppichdicken Beats. Psychedelischer Nebel und glitzernder Funk. "Doggystyle".

Wo andere mit Muskeln protzten, um nach oben zu gelangen, fand Dogg mit wortreicher Schmeichelei und Mut zum Stilbruch den Weg - 2007 stolzierte er im lila Schlafanzug in die Alsterdorfer Sporthalle, machte dort aber eine bessere Figur als beim hingeluschten Auftritt zwei Jahre zuvor in der Color-Line-Arena. Seine Unberechenbarkeit gehört schließlich auch seit jeher zu seinem gut gepflegten Image.

Snoop Dogg heute 19.00, Stadtpark (S Alte Wöhr), Saarlandstraße, Eintritt 45,-; www.snoopdogg.com