Nathanael Wests grotesker Bildungsroman “Eine glatte Million“ wird neu aufgelegt - und verballhornt den amerikanischen Traum

Hamburg. Der sogenannte Kultautor ist nicht immer über alle Zweifel erhaben, literarisch gesehen. Oft hat er ohnehin nur ein schmales Werk, in dem aber äußert sich ein unbedingter Stilwille und eine originelle Themenwahl, eine pfiffige oder unnachahmliche Bewältigung des Stoffs. Ein weiterer Charakterzug des Kultautors: Er ist oft schon tot, und gerne auch hat er bereits in jungen Jahren das Zeitliche gesegnet.

Nathanael West gilt aus Kultautor. Vier Romane stammen aus seiner Feder; genug, um zum Lieblingsschriftsteller von Lesern zu werden, die seine satirische und groteske Sicht auf die Welt goutieren. Im deutschsprachigen Raum ist West immer noch Geheimtipp. Der Manesse Verlag will das ändern, und deswegen erscheint Wests Roman "Eine glatte Million" nun noch einmal auf Deutsch. Im Original war das Buch 1934 herausgekommen.

West wurde 1903 als Sohn litauisch-jüdischer Einwanderer in New York geboren, sein Geburtsname war Nathan Wallenstein Weinstein. Seine Erwerbsbiografie war nicht gerade erfolgreich.

Und das, obwohl die Voraussetzungen keineswegs schlecht waren: Sein Vater brachte es zu einigem Reichtum. An Schule und Uni war West mäßig unterwegs, einen bürgerlichen Beruf wollte er nie ergreifen. Er schlug sich als mies bezahlter Drehbuchschreiber durch, machte aber gerne einen auf Dandy - er war ja Besseres gewohnt als die Gosse, in der in New York, der Stadt der hochfliegenden Träume und abstürzenden Hoffnungen, einige Möchtegern-Autoren landen. New York kann hart sein, das lernt auch der mitleiderregende Held in "Eine glatte Million" recht schnell. Lemuel Pitkin ist ein Unglücksvogel vom Land, dem auf seiner Reise in die große, weite Welt so ziemlich alles Schlimme zustößt, was einem Schlimmes zustoßen kann.

Er will, blauäugig, immer nur das Beste, und er bekommt auf jeder Etappe eins in die Fresse, obwohl ihm, dem Sohn einer verarmten Mutter, doch das Beste versprochen worden ist: "Na, wenn Sie in New York kein Geld machen, dann machen Sie's nirgends." Pustekuchen: Im Verlaufe der bisweilen slapstickartigen Groteske wird der naive Lem mit allerlei körperlichen Gebrechen geschlagen. Er geht seiner Zähne verlustig, verliert einen Daumen, ein Auge, ein Bein. Nur seinen Glauben an das Gute verliert er nicht.

Nathanael West, Sohn deutschsprachiger Juden, baute in seinen Roman auch die Geschehnisse aus Europa ein: Am Ende wird Lemuel zur mythischen Opferfigur der amerikanischen Nazis, ein Gegenstück zu Horst Wessel. "Eine glatte Million" ist nicht Wests bestes Buch, aber, wie Dieter E. Zimmer in seinem Nachwort schreibt, ein satirisches Zitat des selten dämlichen Jungen- und Entwicklungsromans des Horatio Ager. Der ist zum Glück heute vergessen. West nicht. Er verunglückte am 22. Dezember 1940 tödlich in seinem Auto, einen Tag nachdem sein Freund F. Scott Fitzgerald einem Herzinfarkt erlegen war.

Nathanael West: "Eine glatte Million". Übers. v. Dieter E. Zimmer. Manesse. 224 S., 19,95 Euro