Die Heavy-Metal-Band Anvil hat ihren Traum vom großen Glück nie begraben

Knust. Das Musikgeschäft ist oft ungerecht. "Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein", weiß etwa Motörhead-Legende Lemmy. Sonst ist alles umsonst, zerbrechen Träume - und manchmal auch Herzen. Mehr als 20 Jahre lang war Anvil nicht am richtigen Ort; und so fehlte wenig, um die Herzen von Sänger/Gitarrist Lips Kudlow und Drummer Robb Reiner endgültig zu brechen.

Dabei waren sie so brillant gestartet. In den 80ern, dem Goldenen Zeitalter des Heavy Metal, gingen sie auf Tour mit Whitesnake und Black Sabbath und schafften ihn trotzdem nicht, den Sprung in die erste Schwermetallliga. Bald war die Band nur noch Alleskennern ein Begriff. Auch wenn die Kanadier als Wegbereiter des Speed- oder Thrash-Metal galten, den Rahm schöpften andere ab: Metallica, Slayer, Megadeth, Anthrax. Nicht einmal Plattenfirmen interessierten sich für sie.

Die Jahre vergingen, die Haare wurden dünner, und längst mussten die Musiker mit Aushilfsjobs ihre Familien durchbringen. "Ich war sehr geduldig, aber wie lange soll ich noch warten?", fragt Jane, Robbs Frau, in der Doku "Ancil - The Story of Anvil".

Da lässt auch ihr Blick keinen Zweifel daran, dass es nun wirklich genug ist. Soll der alte Mann doch endlich seinen Traum begraben und ein Familienvater werden wie andere auch.

Doch es ist alles ganz anders gekommen. So dermaßen anders, dass Robb und Lips sich vermutlich immer noch zweimal am Tag kneifen müssen, um ganz sicherzugehen, dass dies alles gerade wirklich geschieht. Dass ihre Konzerte wirklich ausverkauft sind, sie auf den größten Festivals von Zehntausenden bejubelt werden und sogar ein neues Album am Start haben. Und das alles wegen des Films eines alten Fans, der Anvil über Nacht wieder ins Scheinwerferlicht katapultiert.

Nicht unbedingt wegen der Musik - der recht traditionelle Metal-Sound klingt schon ein wenig gestrig -, sondern weil sich zwei Männer vor aller Augen weigern, die weiße Fahne zu hissen. Weil sie ihr Leben dafür geben, auf einer Bühne zu stehen und beim zu Tränen rührenden Happy End wie kleine, staunende Kinder mitten in Tokio stehen - vor Glück strahlend. "Uns stehen alle Türen offen, jetzt wollen wir Gerechtigkeit", sagt Lips, der einst dafür berühmt war, seine Gitarre mit einem Dildo zu spielen. Und die bekommt Anvil nun auch.

"Juggernaut Of Justice", das neue Album, wurde im Studio von Dave Grohl (Foo Fighters) eingespielt, an den Reglern stand mit Bob Marlette ein Könner, der schon Ozzy Osbourne und Slayer hübsch fette Sounds verpasste. Entsprechend donnert "Juggernaut ..." los. "When hell breaks loose, I'm ready to kill. When hell breaks loose, you know I will", singt Lips, aber natürlich ist das alles nicht wörtlich zu nehmen, sondern heißt eigentlich: Jaaaa, jetzt geht's wieder los, und diesmal lassen wir es richtig krachen!

Stakkato-Gitarrenriffs, im Tempo von Maschinengewehrsalven herausgeprügelt, Mitgröl-Refrains mit Gute-Laune-Garantie - da bleibt sogar Platz für die ungewöhnlichste Anvil-Nummer aller Zeiten: das Jazz-Metal-Instrumental "Swing Thing", in dem - kaum zu glauben - Bläser vorkommen. Nicht nur neues Material, auch Klassiker wie "Metal On Metal" oder "Forged In Fire" werden heute im Knust zu hören sein. Und mancher dürfte sich fragen, warum diese Band eigentlich so lange verschwunden war. Ganz einfach: Das Musikgeschäft ist oft furchtbar ungerecht. Aber manchmal geht trotzdem alles gut aus.

Anvil heute 20.00, Knust (U Feldstraße), Neuer Kamp 30, Karten: 22,- im Vvk.; www.anvilmetal.com