Nach “unfassbaren Beleidigungen“ in seiner Heimat wählt er das Exil

Berlin/Hamburg. Der chinesische Autor und Musiker Liao Yiwu hat sich nach Deutschland abgesetzt und will vorerst nicht nach China zurückkehren. Der Schriftsteller, der wegen eines Gedichts über das Tiananmen-Massaker 1989 vier Jahre unter demütigenden Bedingungen inhaftiert war, durfte in China schon lange nichts mehr veröffentlichen. Als Raubkopien sind seine Werke dort dennoch Bestseller.

Trotzdem sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen für ihn auch mit Blick auf die andauernde Inhaftierung des Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo und die zweimonatige Inhaftierung des Künstlers Ai Weiwei offenbar unerträglich geworden. Liao hatte wiederholt berichtet, dass bei Durchsuchungen seine Manuskripte beschlagnahmt wurden und man ihm schlimmere Dinge angedroht habe. Ungeachtet dessen war er im vergangenen Herbst nach seinem ersten Deutschlandaufenthalt nach China zurückgekehrt.

In Berlin sagte Liao jetzt, Chinas Behörden hätten ihn erneut ausreisen lassen unter der Auflage, dass er sein neues Buch "Für ein Lied und hundert Lieder" nicht im Ausland veröffentlicht. Er habe der Abmachung zugestimmt, um ausreisen zu dürfen. Eine solche Bedingung sei eine "unfassbare Beleidigung" für einen Schriftsteller. Er wolle in Deutschland bleiben, bis das Buch hier erschienen sei. Der Fischer Verlag hatte aus Rücksicht auf Liaos Sicherheit das Erscheinen schon dreimal verschoben.

Danach will Liao in die USA reisen, wo seine Bücher ebenfalls eine große Leserschaft haben. Ab 2012 will er dann für mindestens ein Jahr in Berlin leben. Vor ihm liegt vermutlich ein Leben im Exil. "Aber ich hoffe, dass ich, wenn dereinst die Regierung wechselt, sicher nach China zurückkehren kann."

Der unbeugsame Autor ist mit seinem Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" in Deutschland bekannt geworden. Es ist eine Sammlung unglaublicher, aber wahrer Geschichten - Gesprächsprotokolle mit Chinesen, die unter der Herrschaft der KP vergessen worden sind, Berichte vom unteren Rand der Gesellschaft. Den Hamburgern ist Liao gut bekannt: Im September 2010 hatte er, eingeladen vom Harbour Front Literaturfestival und dem Abendblatt, im ausverkauften Innenhof des Museums für Hamburgische Geschichte seine erste öffentliche Lesung, nachdem China 15 Jahre lang jeden seiner Anträge auf eine Auslandsreise abgelehnt hatte. Gemeinsam mit Wolf Biermann gab er außerdem ein bewegendes Konzert in der Fabrik.