Das Politmagazin “Panorama“ widmet eine ganze Sendung dem Genre der Scripted Reality, in dem Realität im Fernsehen inszeniert wird.

Hamburg. Jeden Nachmittag wird bei RTL heftig gestritten. In Sendungen wie "Die Schulermittler" oder "Familien im Brennpunkt" fliegen die Fetzen. Die Menschen, die hier vorgeführt werden, sind eher einfach strukturiert. Nicht wenige von ihnen scheinen dem Hartz-IV-Milieu anzugehören.

Tatsächlich sind diese Leute Laiendarsteller, die nach Drehbuch pöbeln. Beide Sendungen sind Formate, die in Branchenkreisen Scripted Reality genannt werden. Produktionen dieses Genres kommen wie Dokumentationen daher, sind aber in Wirklichkeit von vorn bis hinten durchinszeniert.

Das ARD-Politmagazin "Panorama" hat unter dem Titel "Lügenfernsehen: Wie Privatsender ihre Zuschauer in die Irre führen" diesem Phänomen eine komplette Ausgabe gewidmet. Schon vor der Ausstrahlung gab es Streit: In einer Pressemitteilung hatte "Panorama" behauptet, dass es selbst für Experten schwer zu beurteilen sei, "welche Formate noch echt sind und welche nicht". Als Beleg wurde der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Weiß angeführt, der für die Landesmedienanstalten TV-Programme analysiert. Er ordnet Scripted Reality erst seit Kurzem der "Unterhaltung" und nicht mehr der "Publizistik" zu. RTL erklärte daraufhin, dass der Sender selbst Scripted Reality als "Unterhaltung" ausweise. Die ARD-Kollegen seien "im Eifer ihres manchmal eher verzweifelten Gefechts gegen die Erfolge der Privaten ... wohl selbst durcheinandergekommen".

Allerdings werden auch in Programmzeitschriften wie der "Hörzu" Formate wie "Mitten im Leben!" und "Familien im Brennpunkt" als Dokusoap statt als Scripted Reality etikettiert. Zudem droht die inszenierte Realität sich auch außerhalb der Scripted-Reality-Schiene am Nachmittag auszubreiten: "Panorama" führt als Beispiel das Format "Unterm Hammer" an, das RTL vor gut einem Jahr im Vorabendprogramm brachte. Hier sollten Hausbesitzer mit Geldproblemen ihre Immobilie zu einem hohen Preis versteigern. Doch nicht einmal die Hausbesitzer wussten, dass "Bieter" und "Käufer" Schauspieler waren. Der Verkauf war ein Fake. Nach einer Folge stellte RTL "Unterm Hammer" ein.

Ist aber Scripted Reality tatsächlich nur ein Problem des Privaten? Vergangenen Oktober sickerte durch, dass in einem NDR-Papier mit dem Titel "Scripted Reality - eine Chance für den NDR?" behauptet wurde, das Genre sei eine "konsequente Weiterentwicklung der bisherigen Dokusoaps". Der NDR hatte auch bereits Kontakt zu Scripted-Reality-Produzenten aufgenommen. Die Sache verlief im Sande - wohl weil sie zur Unzeit publik wurde.

Panorama heute 21.45 Uhr, ARD