Dies ist eine Familiengeschichte von heute. Eine junge Frau namens Sunna ist glücklich liiert mit Axel. Wir Leser erleben die beiden morgens zwischen der ersten Tasse Kaffee und Frühstück sich liebend auf dem Küchenfußboden. Sunna sorgt sich wie alle Menschen dieser Generation um ihren Körper und nimmt an Yogakursen teil, sie hat einen schlecht bezahlten Job in einem Verlag und entdeckt im Internet, dass ihre Freundin Arndis als vermisst gemeldet wird. Sunna beginnt nach ihr zu suchen.

Axel erklärt, er müsse in den Norden fliegen, er habe dort geschäftlich zu tun. Da ist nur ein Problem: Helgi, Sohn aus einer anderen Beziehung, soll ihn besuchen, und die Exfrau darf nicht erfahren, dass Helgis Papa nicht zu Hause ist. Wie befürchtet, kommt Axel am Abend nicht zurück, Sunna sieht sich einem verschlossenen Kind ausgesetzt und muss ihre Mutter um Hilfe bitten bei der Kinderbetreuung.

Die Isländerin Audur Jónsdottir, Jahrgang 1973, ist in ihrer Heimat schon ein Star der Literaturszene. Sie wird kongenial übersetzt von Kristof Magnusson, der einen unwiderstehlich komischen Tonfall findet, um den Text auch im Deutschen zum Schweben zu bringen. "Rühre in einer Rhabarbergrütze, sauer und grün, wie Mama sie früher so hastig kochte, dass der Rhabarber noch halb roh war, schlucke mühsam. Schlucke den Glauben daran, dass die Welt besser wird, wenn Frauen ihren Müttern gehorchen." Da sind Hunderte solcher wunderlichen Sätze, die kleine Widerhäkchen haben und mit stumpfem Nachhall wie der Rhabarber bleiben. Wer versteht schon, was da in diesem rasenden Stillstand um uns herum wirklich geschieht? Es gibt diese Tage, an denen einem nur übrig bleibt, schlafen zu gehen und zu hoffen, dass es über Nacht weniger schlimm sein wird, was da brodelt.

Wir haben flotte deutsche Autorinnen, die vergnügt freche Frauenromane schreiben, die wirken, als würden sie von einer Gruppe Latte macchiato trinkender Freundinnen zusammengekloppt. Romane mit etwas mehr Tiefe und geschliffener Sprache fehlen uns. Importieren wir sie fürs Erste aus Island!

Audur Jónsdottir: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt. Aus dem Isländischen von Kristof Magnsson. 288 Seiten, btb Verlag, 19,99 Euro.

In "Aufgeblättert" stellen im Wechsel Rainer Moritz, Annemarie Stoltenberg (NDR) und Wilfried Weber (Buchhandlung Felix Jud) Bücher vor.