Dave Mustaine, bei Metallica rausgeflogen, hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Heute spielt er mit seiner Metal Band Megadeth in Hamburg.

Docks. "Hast du auch nur die geringste Ahnung, was ich durchgemacht habe? Die Menschen hassen mich euretwegen. Ich gehe die Straße lang, und irgendjemand brüllt 'Metallica!' - nur um mich zu verspotten." Sagt Dave Mustaine, ein Musiker, der selbst mehr als 20 Millionen Alben weltweit verkauft hat und trotzdem nicht darüber hinwegkommt, dass er vor mehr als zwei Jahrzehnten wegen seiner Drogensucht bei Metallica rausflog. Er sagt es in der Dokumentation "Some Kind Of Monster". Und wer sieht, wie verletzt Mustaine in dieser Szene auf dem Sofa kauert, wer in seine tieftraurigen Augen blickt, der weiß: Dieser Mann hat ein großes Problem. Eines, das er über Jahrzehnte mit immer neuen Alkohol- und Drogenexzessen zu bekämpfen versuchte - weshalb seine Karriere einer endlosen Achterbahnfahrt gleicht.

1983, direkt nach seinem Rauswurf, gründet Mustaine die Band Megadeth, um der verhassten Metallica - das meint vor allem Lars Ulrich und James Hetfield - kommerziell wie künstlerisch den Rang abzulaufen. Er verschleißt in den folgenden Jahren mehr als 20 Musiker und sieht vermutlich mehr Rehakliniken von innen als später Amy Winehouse. Legendär seine Abstürze, legendär auch seine Bühnenausraster. Mal macht er während einer Tour als Support für Aerosmith höhnische Bemerkungen über das Alter von Steven Tyler & Co. - und darf die Koffer packen. Mal widmet er während eines Konzerts in Nordirland einen Song der IRA - und löst damit eine Saalschlacht zwischen Protestanten und Katholiken aus. Doch zwischendurch liefert Dave Mustaine mit Megadeth immer wieder bahnbrechende Thrash-Metal-Alben wie "Peace Sells ... But Who's Buying?" (1986) oder "Rust In Peace" (1990) ab. Genre-Meilensteine, die mit ihrer Mischung aus Melodie und Härte nicht nur langhaarige Kuttenträger begeistern, sondern es sogar bis an die Spitze der Charts schaffen.

Doch egal, wie viele Platinauszeichnungen Megadeth einsammelt, Mustaine bleibt traumatisiert, kann den Erfolg nicht genießen, sondern blickt immer darauf, was die anderen erreichen. Jedes ausverkaufte Metallica-Konzert ist für ihn ein Stich ins Herz, jeder Nummer-eins-Hit der "Four Horsemen" ein Grund, wieder zur Flasche zu greifen. Und wenn er wie 1999 mit dem Album "Risk" einen veritablen Flop landet, bricht das labile Megadeth-Konstrukt kurzfristig völlig zusammen. Doch dann die Wende: Nachdem Mustaine sich bereits bei den Anonymen Alkoholikern Hilfe geholt hat, findet der Mann, der in jungen Jahren mit schwarzer Magie experimentiert, zum christlichen Glauben. Er gibt das Trinken nicht völlig auf, kommt aber von den harten Drogen los und beginnt endlich auch, den Metallica-Konflikt zu verarbeiten.

Zwar schlägt Mustaine eine Einladung der Band zu Metallicas feierlicher Aufnahme in die Rock 'n' Roll Hall Of Fame aus, doch dafür geschieht das eigentlich Unmögliche: Megadeth und Metallica gehen zusammen auf Tour. Gemeinsam mit Slayer und Anthrax, zwei weiteren Thrash-Metal-Ikonen, spielen sie auf mehreren "The Big Four"-Festivals. Das bislang letzte vorgestern in Gelsenkirchen.

"Ich will gar nicht bestreiten, dass mit mir damals nicht gut Kirschen essen war", gibt Mustaine in seiner Autobiografie zu, die dieser Tage auch in deutscher Übersetzung erscheint. "Ich verhielt mich aggressiv, wirkte andauernd getrieben, und man wusste nicht, wo man bei mir dran war." Eine Beschreibung seiner kurzen Zeit bei Metallica, die aber auch recht gut die folgenden Jahrzehnte skizziert. In Gelsenkirchen hat Mustaine vor zwei Tagen erlebt, wie Zehntausende Metallica zujubeln. Kann er trotzdem die Begeisterung seiner nur knapp 1000 Fans genießen, die den sensiblen Rotschopf heute im Docks empfangen werden? Zu wünschen wär's ihm ja. Durchgemacht hat er schließlich genug.

Megadeth Mo 4.7., 20.00, Docks (U St. Pauli), Spielbudenplatz, Karten zu 30,10 im Vorverkauf; Internet: www.megadeth.com