Hamburg. Der glückliche Zufall spielt in der Literatur, im Leben, im Theater oft den Dramaturgen. Beim Abschluss des Kaltstart-Festivals entschädigte die Costa-Compagnie mit Felix Meyer-Christians literarisch-dokumentarischer Performance "Das Erdbeben in Chili oder Die Stutthof-Häftlinge" voll für die Enttäuschung über die ausgefallene Finale-Werkstatt-Nacht.

Der gewagte Versuch, die Katastrophen und glücklichen Zufälle von 1645 in Kleists "Erdbeben"-Novelle in dem tatsächlichen Exodus der KZ-Häftlinge von Stutthof nach Neustadt von 1945 zu spiegeln, ging überraschend gut auf. Kein glücklicher Zufall. Denn die Grausamkeiten in Kleists Erzählung wie in den Zeitzeugen-Erinnerungen sind für uns heute ähnlich unbegreiflich und ergaben hier ein klug montiertes, verstörendes Bild über die Entmenschlichung des Menschen durch Ideologie-Systeme, sei es im Dienst der Kirche oder eines Terrorregimes.

Von Beginn an betonten Regisseur und Spieler in der Performance den Kunstvorgang. Von einem Museumshocker blickte Urte Clasing auf die Bühneninstallation aus Lebensbäumen und leblosen Körpern. Die Zeitzeugin - sie überlebte als Elfjährige den SS-Angriff auf die Flüchtlingsschiffe in der Lübecker Bucht - gab den Toten ihre Stimme. Den fünf jungen Schauspielern gelang die heikle Balance, die Schreckensszenen emotional zu vermitteln und doch geziemende Distanz zu bewahren. In einer Art Zustand des "seelischen Stillstands", wie Clasing im Schlusswort sagte. Bewegend, ohne Pathos, fallen Fakten und Fiktion in diesem Requiem mit Gesang ineinander. Ein starker Finale-Schlusspunkt.