Was sechs junge Künstler von ihren Reisen bis ans Ende der Welt mitgebracht haben, zeigen nun Hamburger Galerien

Admiralitätstraße. Im Grunde seines Herzens ist jeder Künstler ein Reisender. Egal, ob es ihn wie einst August Macke und Paul Klee in den Maghreb oder Jochen Gerz in ein abgedunkeltes Abteil der Transsibirischen Eisenbahn zog. Ziele gibt es genug, und so vergibt der Verein Neue Kunst in Hamburg seit 1997 Reisestipendien an Künstler seiner Stadt. Wer hier mit seiner Reisemotivation und künstlerischem Gepäck überzeugt, erhält vom Reiseleiter, in Kunstkreisen Kurator genannt, grünes Licht. Die begehrten Tickets erhielten diesmal fünf Künstler und eine Künstlerin. Was in aller Welt sie in Istanbul, Los Angeles oder China zu suchen hatten, zeigen Galerien an der Admiralitätstraße.

Johan Holten, seit Kurzem Leiter der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, war dafür zuständig, die mehr als 100 Reiseanträge zu bearbeiten. Ins Flugzeug durfte unter anderem Burk Koller steigen. In 32 Flugstunden war er dann endlich am Ziel auf den Osterinseln, wo er dem Nichts, der Leere, einer Sonnenfinsternis, blassen Regenbögen und einer nie genutzten Landebahn der Nasa begegnete. Es war eine lange Reise mit einem kurzen Exkurs in die Leere utopischer Versprechungen am Ende der Welt.

Wäre Koller übers Ziel hinausgeschossen, vielleicht wäre er in Palau gelandet, wo Christoph Faulhaber sich auf die Spuren von ehemaligen und abgeschobenen Guantánamo-Häftlingen gemacht hatte - konkret: von sechs Uiguren, denen in China Unheil drohte und die nun in der Südsee gestrandet sind. Unfreiwillig mussten die Chinesen ihren ungeliebten Söhnen dennoch ein Denkmal setzen. In China, wohin Faulhaber seine Reise fortsetzte, ließ er von Kopisten Fotos der Ex-Häftlinge in Gemälde umsetzen. Die hängen jetzt in Hamburg, in dem Land, das ihre Aufnahme einst ablehnte.

Ordentlich was zu hören bekam Christoph Rothmeier auf seinen Wegen quer durch Eurasien mit Endstation Tokio. Zum Glück (oder eher: mit Absicht) hatte er Aufnahmegeräte für Töne, Geräusche, akustische Momente und Situationen im Gepäck. Von seiner Reise künden nun in Hamburg fahrtenschreiberähnliche Diagramme, die an mittelalterliche Weltscheiben erinnern, sowie pendelnde Lautsprecher, die der Zeit den Ton diktieren.

Opulent und sinnlich fallen demgegenüber die christlich-muslimischen Ornamentobjekte von Moritz Altmann aus. In Istanbul und Sevilla studierte Altmann unterschiedliche Organisationsmuster von Ornamenten, die er in barock-geometrisch anmutende Objekte umsetzte. In ihnen treffen sich Orient und Okzident, Muschelornament und Girih-Kacheln.

Sparsam zurück hält sich hingegen Tobias Kraus mit seinen Mitbringseln aus dem kalifornischen Los Angeles. Dafür serviert er einen blütenweißen Satz unterschiedlich geformter Kaffeetassen mit einem Zitat des französischen Revolutionsführers Georges Jacques Danton über seine bevorstehende Köpfung. Auch hier individualisiert Kraus, indem der Künstler in jede Tasse das Zitat in einer anderen Zeit und Person setzte.

Die kürzeste Reise unternahm Pauline M'Barek nach Brüssel, wo sie sich auf die Spuren früherer Weltreisender, den kolonialen Trophäen in Form afrikanischer Masken in Museen machte. Das Problem, auf das sie stieß: Zu sehen bekam sie diese nicht.

So unternahm sie eine weitere, künstlerisch-imaginäre Reise in die Negativform von Masken, der Kehrseite des Kolonialismus. Im Blick durch, nicht auf die Maske stellt sie die Frage: "Wenn ich der andere bin, wer bist dann du?" Eine stellvertretende Frage vielleicht für alle, die zeigt, wohin die meisten Reisen gehen: in die eigenen und inneren Kontinente.

Sechs Künstler - Sechs Reisen - Sechs Ausstellungen bis 9. Juli in den Galerien der Admiralitätstraße, Galerie Katharina Bittel, Produzentengalerie, Galerie Karin Guenther, Galerie für Landschaftskunst, Galerie Sfeir-Semler, Galerie Artfinder, Künstler-Editionen: Galerie Dörrie * Pries; Internet: www.neuekunstinhamburg.de