Die schaukelnde Reise zur Theaterinstallation “Cargopolis“ auf der MS “Bleichen“ und im Hafenmuseum lohnt sich

Hamburg. Der Einstieg zur Reise nach "Cargopolis" verläuft sanft und schaukelnd. In einer Barkasse geht es vorbei an den Glaspalästen der HafenCity zur MS "Bleichen". Dort angelangt, ist der Besucher auch schon mittendrin im Schiffskosmos, den die Hamburger Regisseurin Anna Schildt und die Autorin Sigrid Behrens mit ihrer gleichnamigen Theaterinstallation auf besondere Weise beleuchten. Und die ist absolut sehenswert.

In der Luke 1, dem Maschinenraum im Bauch des Schiffes, thront ein VW Käfer im Halbdunkel. Irgendwo aus der Schwärze raunen den Besuchern die Sätze eines Laschers oder eines Spediteurs entgegen. Penibel schildern sie ihre bürokratisch genau festgelegten Arbeitsabläufe. Ein Video in der Ecke zeigt Szenen vom Containertransport.

Oben kriechen die Besucher durch die engen Gänge von Kajüte zu Kajüte, hocken auf schweren Seilschaften im Kabelgat am Bug und lauschen den Ausführungen eines Zollbeamten und einer Seemannsdiakonin, die bekennt, dass sie sich eine Art "Hafenwesen" angeeignet habe. Oder sie kämpfen im Maschinenraum gegen den durchdringenden Schmieröl-Geruch.

So sind sie bestens eingestimmt auf das eigentliche Theaterstück im Hafenmuseum. Drei Akteure erwecken hier die abstrakte Textfläche von Sigrid Behrens zum Leben. In einer Märchenstunde erzählt ein "schwarzes Schaf" einem Kind von einer Welt, die eine kurzsichtige Eintagsfliege war und in ihrer Lebenshektik ins Netz der bösen Spinne Globalisierung geraten ist. Szenensprung in die Gegenwart zwischen Logistikbrücke, Schiffskörper und endlosen Regalen mit antiken Schiffsteilen.

Logistikerin Alice (Sarah Masuch) verschiebt riesige Containerschiffe per Teleportation, also in kleinsten Bit-Einheiten, und hält Lobreden auf die neue Zeit, in der alle in Cargopolis leben wollen, Reisen nur noch im Simulator stattfinden und es der Umwelt und den Menschen in einer entschleunigten Gesellschaft einfach blendend geht. Aber auch das Paradies zeigt Risse. Ein blinder Passagier (Regina Stötzel) hat Probleme, sich wohlzufühlen. Ein Kapitän (Joachim Kappl) gerät ganz aus dem Häuschen, als plötzlich doch ein ganz reales Schiff im Hafen liegt.

Vieles in diesem Stück findet im Kopf des Zuschauers statt, und in Verbindung mit den vielen sinnlichen Eindrücken, dem gekonnten Zusammenspiel der Akteure und dem ausgefeilten Text funktioniert es aufs Feinste. Neue Blicke auf den Hafen tun sich auf. Ein gelungenes Experiment.

Cargopolis 1., 2., 3.7., jeweils 19.00, MS "Bleichen"/Hafenmuseum Hamburg, Hansahafen, Kleiner Grasbrook, Treffpunkt 18.00, Landungsbrücken, Brücke 10, Karten 15,-/erm. 10,- (inkl. Barkassenfahrt), Reservierung T. 76 39 02 66