Die puerto-ricanische Hip-Hop-Combo Calle 13 verbindet mitreißende Grooves mit engagiert-aggressiven Texten

Fabrik. Wären René Pérez Joglar und Eduardo José Cabra keine Puerto Ricaner, würden die amerikanischen Behörden die beiden Halbbrüder wohl kaum ins Land lassen. Aber die Karibikinsel Puerto Rico ist bekanntlich ein den USA angegliederter Freistaat, seine Einwohner besitzen alle die amerikanische Staatsbürgerschaft. Deshalb können Joglar und Cabra ungehindert einreisen, wenn sie Konzerte geben oder für eine ihrer Platten mal wieder ein paar Grammys mit nach Hause nehmen. Die beiden Musiker haben nämlich vor sieben Jahren Calle 13 gegründet, eine überaus erfolgreiche Hip-Hop-Combo. Die Karriere von Calle 13 begann mit einem musikalischen Sprengsatz, nicht eben zur Freude staatlicher US-Behörden - schließlich hieß der erste Erfolg "Querido F.B.I.", übersetzt also "Liebes FBI".

Der Song thematisierte den Tod von Filiberto Ojeda Ríos, den Anführer einer revolutionären puerto-ricanischen Gruppe mit Namen Los Macheteros, die sich für die Unabhängigkeit des Inselstaates einsetzt. Viele seiner Bewohner, auch die beiden Köpfe hinter Calle 13, betrachten ihre Heimat als amerikanische Kolonie. Der 72 Jahre alte Ríos, genannt der "Ché Guevara von Puerto Rico", kam am 23. September 2005 bei einer Festnahmeaktion des FBI unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. 30 Stunden nach seinem Tod hatten Joglar und Cabra den zornigen Song fertig, verbreiteten ihn sowie ein schnell zusammengestelltes Video im Internet und lösten damit Demonstrationen in der Hauptstadt San Juan aus. Mehr als 5000 Menschen nahmen später an Ríos' Beerdigung teil. Und Calle 13 war durch "Querido F.B.I." plötzlich in aller Munde.

Fortan beschäftigten sich die beiden Halbbrüder auch in anderen Songs mit gesellschaftlichen Missständen in Mittel- und Südamerika. Sie rappten über Armut und Unterdrückung, sie setzten sich für Minderheiten ein und schlugen dabei einen durchaus aggressiven Ton an. Bei der Verleihung der Latin Grammy Awards 2007 in Las Vegas hatten sie eine Performance mit verkleideten Tänzern zusammengestellt, die eine Invasion Nordamerikas durch dessen südliche Nachbarn ausdrücken sollte. Auch hierfür ernteten Residente und Visitante, so nennen sich Joglar und Cabra, nicht nur Beifall.

Ihre beiden Spitznamen und auch der Name der Band stammen noch aus Teenager-Zeiten. Joglar lebte damals in der Stadt Trujillo Alto in einer von Sicherheitskräften bewachten Straße (Calle) mit der Nummer 13, Cabra besuchte seinen Halbbruder oft. Jedes Mal, wenn man die Torposten passieren wollte, fragen die Wachleute: "Residente o visitante?, also: "Anwohner oder Besucher?" Joglar, der Rapper von Calle 13, wurde so zu Residente, Cabra, Multiinstrumentalist und Produzent des Duos, zu Visitante.

Für ihre Tourneen heuern Residente und Visitante mehr als ein Dutzend Sänger und Musiker an, jeder für sich ein Könner und vertraut mit den unendlich vielen Rhythmen, Tänzen und Gesängen Lateinamerikas. Cumbia, Salsa, Afro-Cuban Jazz, Tango verbindet sich mit Reggaeton, der seinerseits schon wieder eine Neuschöpfung aus den Stilen Reggae, Dancehall und Merengue ist.

Auch wenn die Karriere der beiden Straßen-Hip-Hopper mit einem politischen Song begonnen hat und ihre Haltung deutlich linksorientiert ist, so genießen viele die Musik von Calle 13 ganz einfach als Partymusik, zumal, wenn sie des Spanischen nicht mächtig sind und die Texte nicht verstehen. Live-Auftritte von Calle 13 sind ein ausgelassenes und schweißtreibendes Tanzvergnügen mit Residente als stimmgewaltigem Einpeitscher. Der Rapper, der seine Auftritte fast immer mit freiem Oberkörper absolviert, wird wegen seines schnellen Sprechgesangs oft mit Eminem verglichen, ein loses Mundwerk wie der Kollege aus Detroit besitzt Residente gleichfalls. In seinen Songs bekommen US-Größen wie P. Diddy, 50 Cent oder Madonna schon mal ihr Fett weg. Residente kann jeden Klub und jede Arena in ein Tollhaus verwandeln - wie übrigens auch der letzte Calle-13-Auftritt in der Fabrik bewies.

Den größten Erfolg hatte die Band bisher auf Kuba: Auf dem José-Martí-Platz von Havanna flippten im vergangenen Oktober eine halbe Million Kubaner völlig aus.

Calle 13 heute, 21.00, Fabrik (S Altona); Barnerstraße 36, Karten: 20,-; Internet: www.lacalle13.com