Bevor sich die Türen im Polittbüro für den Sommer schließen, versüßt die Saisonabschlussrevue den Abschied
Polittbüro. Mit einem liedermacherischen Wolf im Schafspelz, mit jonglierenden Anzugträgern und einem etwas anderen Blasorchester verabschiedet sich das Polittbüro in die Sommerpause. An drei Abenden geben sich Lisa Politt und Gunter Schmidt noch einmal die Ehre und drei verschiedenen Künstlerformationen aus ganz unterschiedlichen Genres das Mikrofon in die Hand.
Auf der Straße würde man an Simon & Jan einfach vorbeilaufen. Jan mit seinen kurzen Strubbelhaaren und der Brille, Simon mit langen Dreadlocks und Bart sind zwei studentische Allerweltsgesichter. Die sich tatsächlich während ihres Musikstudiums im niedersächsischen Oldenburg kennenlernten und vor einigen Jahren begannen, als Liedermacher-Duo aufzutreten. Ihre Hinter- und Widersinnigkeiten machen umso mehr Spaß, weil Simon & Jan so unaufgeregt daherkommen und wirken, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Wie der äußere Schein doch trügen kann.
Im vergangenen Jahr fiel das auch der Jury des "Jugend kulturell"-Förderpreises äußerst positiv auf: Sie zeichnete Simon & Jan mit dem ersten Preis aus. Den gab es für Songs wie "Heute ein König", in dem die beiden Werbeslogans in gänzlich neue rhetorische Gefilde entführen, und für pointierte Beobachtungen zwischen Chianti Classico und Hansa Pils, zwischen Alltag und Wahnsinn, Prüderie und Frivolität.
Unanständigkeiten würde man auch Strahlemann & Söhne kaum zutrauen. Die beiden sind der optische Gegenentwurf zu Simon & Jan. Im akkuraten Anzug sehen sie eher wie Investmentbanker oder Versicherungskaufleute aus, nicht aber wie Jongleure, die das professionelle Entkleiden zum festen Bestandteil ihres Programms gemacht haben. Fast erwartet man, dass sie gleich eine Leinwand hervorzaubern, um eine Präsentation mit den aktuellen Quartalszahlen vorzustellen. Stattdessen packen Strahlemann & Söhne ihre Jonglierkeulen aus, beginnen sie sich gegenseitig zuzuwerfen - und entledigen sich ihrer Businessuniform. Die Keulen fliegen währenddessen weiter hin und her. Am Ende der Nummer trägt Pat Fabio den Dreiteiler, der gerade noch Gordon Leif gut aussehen ließ. Businessmeetings wären wohl erheblich unterhaltsamer, wenn auch der eine oder andere Controller mit rahmengenähten Schuhen und Reifen statt bloß mit trockenen Zahlen um sich werfen würde.
Von Tuten & Blasen wiederum hat das gleichnamige Orchester im Gegensatz zum bekannten Sprichwort eine Menge Ahnung. Die gründet sich nicht nur auf musikalischer Leidenschaft, sondern auch auf langjähriger Erfahrung. Schließlich gibt es das Ensemble schon seit 35 Jahren. Dessen Karriere begann in den 70er-Jahren als politisch-parodistische Straßenmusik, bei der so mancher Journalist überrascht feststellen musste, dass die befürchteten linken Chaoten nicht nur Ahnung von Musik haben, sondern auch überraschend lustig sind. Politisch sind sie immer noch, engagieren sich bei den jährlichen Benefizabenden des Polittbüros und anderswo. Daneben vertonen sie Stummfilme der 20er-Jahre und geben eine Menge "normaler" Konzerte. Soweit man bei der prägnanten Melange aus afrikanischen und lateinamerikanischen Einflüssen, die sich mit Jazz paaren, von normal sprechen kann.
Die Übergänge zwischen Gitarren und Gesang, Keulen und Reifen, Blasinstrumenten und Perkussion moderiert - wie könnte es anders sein - die Chefin selbst. Lisa Politt und ihr Lebensgefährte Gunter Schmidt werden sicherlich noch den einen oder anderen bissigen Kommentar zum vergangenen Jahr parat haben. Und mit etwas Glück lassen sie sich auch schon zu einem Tipp hinreißen, was man in der nächsten Saison auf der Bühne am Steindamm erwarten kann.
Saisonabschlussrevue mit Simon & Jan, Strahlemann & Söhne, Tuten & Blasen, 28.-30.6., 20.00, Polittbüro (S/U Hauptbahnhof), Steindamm 45, Karten zu 15,-/10,- an der Abendkasse oder T. 28 05 54 67; www.polittbuero.de