Beim einwöchigen Treffen deutschsprachiger Schauspielstudenten auf Kampnagel wurden ausschließlich Ensembles ausgezeichnet.

Hamburg. Es war ein richtiges Theaterfest. Eine Woche lang brachten über 300 Schauspielstudenten 18 Aufführungen auf die größte Kampnagel-Bühne; Foyer und Hallen erwiesen sich als idealer Ort für das 22. Treffen der jungen Bühnenkünstler. Gastgeber war jedoch nicht nur Kampnagel, sondern auch der scheidende Theaterakademie-Direktor Michael Börgerding. Er wechselt 2012 als Generalintendant ans Bremer Theater.

Offiziell ist seine Nachfolge noch ungeklärt, doch war nicht zu übersehen, dass Sabina Dhein, künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia-Theater, das Treffen der Schauspielschulen (etwa als künftige Hamburger Direktorin?) genauso aufmerksam verfolgte wie die rund um die Uhr engagierten Studenten. Sie diskutierten vormittags im Klub oder auf der Probebühne und gaben nachmittags im kleinen K1-Saal den Kommillitonen Einblick in ihre Szenenstudien. Dazwischen trafen sie sich zum Essen in K4, machten die Plaza - ungeachtet mancher Regenschauer und Windböen - zum Debattiertreff, um schließlich abends in den drei Vorstellungen ihr Können und ihre Sichtweisen von Theater zu zeigen.

Ihre neugierige Anteilnahme und der offene solidarische Umgang miteinander machten die Plattform wieder zu einem Gemeinschaftserlebnis bei der Suche nach einer Theaterkunst am Puls der Zeit. Das Wettbewerbsprogramm spiegelte die Vielfalt aktueller Spielformen auf deutschsprachigen Bühnen. Das Spektrum reichte von realistischer bis zu karikaturnaher Menschendarstellung, vom Körpertheater bis zu konzeptionellen Inszenierungen und komödiantischem Musiktheater. Es dominierten Gegenwartsstücke, kein Klassiker, einmal Brecht und zwei Shakespeare-Dramen waren zu sehen - darunter Titus Georgis rhythmisches SzeneZapping durch "Wie es euch gefällt". Sonka Vogt und Maximilian Scheidt von der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover erhielten für ihr fast wortloses, grobes wie inniges Liebesduell im Waschzuber die erste Auszeichnung beim Finale.

"Es war die schönste Liebesszene, die wir seit Langem gesehen haben", begründete Alexander Khuon von der Jury den "kleinen Ensemble-Preis". Das Gremium, dem auch Regisseurin Jutta Hoffmann und Thalia-Schauspieler Bruno Cathomas angehörten, vergab diesmal keine Solo-Preise und würdigte mit den Preisgeldern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Höhe von 20 000 Euro hervorragende Ensemble-Leistungen.

"Theater ist Teamarbeit", erklärte Jutta Hoffmann die Entscheidung. "Denn die beeindruckend vielen Einzelleistungen waren immer eingebettet in die ausgezeichneten Ensembles." Die chinesischen Köche von der Universität Mozarteum Salzburg kassierten für ihre virtuos wandlungsfähig präsentierte Version von Schimmelpfennings "Der goldene Drache" einen Preis wie auch die teuflisch guten, gegen das diktatorische Staatssystem rebellierenden Varietekünstler in "Der Meister und Margarita" aus Rostock.

Die Berliner beeindruckten Publikum und Jury gleich zweimal: Die fabelhaft eingespielten, rastlos und riskant aufspielenden Unternehmensberater in Rögglas "Wir schlafen nicht" von der Universität der Künste. Und das furiose Quintett von der Hochschule Ernst Busch mit Palmetshofers "Helden", deren Lügen, Sehnsüchte und Verzweiflung es hinter der Glücksfassade entlarvte. Aber auch nicht prämierte Aufführungen fesselten. Im Physical Theatre aus Essen erzählte ein "Vogelschwarm" berührend und poetisch Oscar Wildes Märchen vom "Glücklichen Prinzen". Das Max-Reinhardt-Seminar Wien bestach mit dem sprachlich wie visuell suggestiven szenischen Tableau "Trunkener Prozess" nach Koltès.

Ohnehin sind nicht die Preise das Wesentliche am Theatertreffen. Wichtig sind Austausch und Präsentation unterschiedlicher Arbeitsansätze und Spielformen. Das Hamburger Publikum stieß interessiert hinzu.