Immer mehr Hamburger entdecken ihr Herz für Swing-Musik - sie tanzen engen Balboa auf St. Pauli und drehen sich beim Lindy Hop am Elbstrand.

Hamburg. Im Mandalay am Neuen Pferdemarkt tanzen zwei Dutzend Frauen und Männer. Einige Damen haben ihr Haar in leichte Wellen gelegt oder kunstvoll hochgesteckt, aufgepeppt mit einer Blume. Die Herren tragen Anzüge im weiten Schnitt der 30er-Jahre. DJ Mr. Tumbleweed spielt die "Popmusik" der 20er und 30er: Zu Gipsy Swing von Django Reinhardt, Bigband Swing von Ella Fitzgerald und Count Basie oder deutschem Swing von Heinz Wehner tanzen die Pärchen an diesem Abend Balboa. Sie stehen eng, machen viele kleine elastische Schritte, die Oberkörper wippen leicht im Takt der Musik - nur hin und wieder wird der Tanz von Drehungen unterbrochen.

"Balboa ist eleganter Swing-Tanz für Erwachsene, Lindy Hop ist jugendlicher und schwitziger", beschreibt der 39-jährige Daniel Somann alias DJ Mr. Tumbleweed Haupttanzstile des Swing. "Was Swing ist, das musste man Mitte der 90er-Jahre noch erklären", erzählt Deutschlands bekannteste Swing-DJane Swingin' Swanee. Sie war neben dem Swing-Veteranen Günter Discher eine der Ersten, die in Hamburg Swing auflegte. Ende des Jahrzehnts erlebte die Swing-Szene in Hamburg ihre erste Auferstehung. Mit Frank Misiak, heute Geschäftsführer des Swing- und NostalgieLabels Ceraton Music, Modedesigner Herr von Eden und Isgard Rhein, Spezialistin für die Swing-Bewegung der NS-Zeit (s. Kasten), veranstaltete sie Swing-Partys in der Schilleroper.

Eine ausgeprägte Tanzszene gab es da noch nicht. "Anfangs tanzten in Hamburg gerade mal vier Personen Lindy Hop", erzählt Swanee. Mit Isgard Rhein, Norbert Michels und anderen Tänzern gründete sie 1998 die New Swing Generation, einen eingetragenen Verein zur Förderung des Swing-Tanzes und seiner Kultur. Ab dann gab es in Hamburg Swing-Tanzkurse und die erste Swing-Party "Swinging Ballroom" mit Tanz-Crashkurs und Livemusik, die heute noch jeden letzten Sonnabend im Monat im Stage Club stattfindet.

Drei Jahre später fing auch Daniel Somann an, in der New Swing Generation zu tanzen, heute unterrichtet er selbst Lindy Hop und Balboa. Auf seinem rechten Unterarm prangt eine Tätowierung: "BALBOA" steht da in schnörkeliger Schrift geschrieben. Als DJ Mr. Tumbleweed legt er regelmäßig bei Swing-Veranstaltungen auf.

André Bolzmann alias DJ Swingy the Kid gehört zur jüngeren Riege der Swings. Seit drei Jahren tanzt der 28-Jährige leidenschaftlich Lindy Hop, vor etwas mehr als einem Jahr entdeckte er die Räumlichkeiten für seine Veranstaltungsreihe "Swing Fever". Zweimal im Monat gibt es hier einen kostenlosen Swing-Crashkurs in Kooperation mit der "Swingwerkstatt".

Was es genau ist, was die Faszination des Swing ausmacht, sei schwer zu beschreiben. "Es swingt durch die Muskeln und durch die Knochen", sagt Swingy, "Swing ist eben ein Gefühl. Der eine fühlt es, der andere nicht."

In den vergangenen zwei Jahren ist die Szene rasant gewachsen, viel junges Partyvolk begeistert sich für das Lebensgefühl. Fast alle kennen sich untereinander mit Namen. Es gibt keine festen Partner, und eine Tanzaufforderung auszuschlagen ist nicht üblich. SwingInfizierte tanzen im Schnitt an vier Abenden pro Woche. Auch im Internet sind sie gut vernetzt. Die Tänzer verabreden sich zu spontanen Tanzpartys, im Sommer auch im Freien, beispielsweise in Övelgönne am Elbstrand.

Der Abend im Mandalay neigt sich langsam dem Ende zu. Es ist beinahe Mitternacht, auf der Tanzfläche drehen sich noch drei Pärchen. Bald gehen sie alle nach Hause, ziehen die Tanzschuhe aus und lassen die beschwingte Atmosphäre der 20er-Jahre hinter sich. Aber nicht lange, denn schon am Donnerstag wird weitergeswingt beim "Swing Kiez" auf St. Pauli, im Glanz & Gloria.

Swing Fever jeden Mittwoch ab 20.00 im Mandalay (U Feldstraße), Neuer Pferdemarkt 13, Eintritt frei, www.mandalay-hamburg.de

Swing Kiez jeden Donnerstag ab 21.00 im Glanz & Gloria (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 28, Eintritt frei, www.tivoli.de

Swinging Ballroom immer am letzten Sonnabend des Monats, 21.00, Stage Club (S Holstenstraße), Stresemannstr. 159a, Eintritt 10,-; www.stageclub.de