Der Hamburger Pianist Mischa Schumann hat ein neues Album veröffentlicht und tritt bei den Jazz open auf

Hamburg. Ein Zebrastreifen ist kein Klavier. Aber sie haben manches gemeinsam. Die schwarzen Tasten beziehungsweise Streifen sind etwas schmaler als die weißen. Und beide Instrumente bilden einen Freiraum für den Menschen, einen Erlaubnisraum: Hier darfst du sein, in deiner Zeit.

Ob unser Fotograf den Pianisten Mischa Schumann deshalb am helllichten Tag barfuß über einen Zebrastreifen in einer kleinen Seitenstraße in der Innenstadt gehen ließ? Ein Künstler ist dazu da, Regeln zu überwinden, manche erfinden mit Freuden auch verkehrte Regeln. Hier bespielt einer von ihnen mit nackten Füßen, den fernen Brüdern seiner beiden Hände, eine Einrichtung, die den Verkehr regelt.

Mischa Schumann ist bestimmt 25-mal über den Zebrastreifen gelaufen, ehe das Bild den Fotografen zufriedenstellte. Er nahm es als Aufgabe, als Übung. Stoisch. Geduldig. Ernsthaft. Zwischendurch hat er zwei Musikerwitze erzählt, von denen einer richtig gut war, aber wenn man ihn aufschreibt, funktioniert er leider nicht. Gäbe es da nicht seine spektakulär eigensinnige Musik, wäre man versucht, diesen äußerlich so unauffälligen Musiker die Graue Eminenz der Hamburger Jazzszene zu nennen. Schumann, 46, hat einst das Jazzhaus mitbegründet, er mischt seit den Anfangstagen beim Jazzbüro mit, er denkt sich Finanzierungsmodelle aus, wühlt sich durch Förderanträge. Es soll ja Musiker geben, die gehen richtig auf bei solcher Verbandsarbeit.

Schumann aber befasst sich mit administrativen Dingen zum eigenen Wohl und zum Wohle der hochgradig individuellen Angehörigen seines Berufsstands einfach deshalb, weil es für ihn dazugehört in der Welt, so, wie sie ist. Natürlich fände er es prima, wenn er einen Agenten hätte, der Konzerte für ihn bucht. Weil damit aber unterhalb einer gewissen Ruhmesschwelle, oberhalb derer in Deutschland höchstens eine Handvoll Musiker ihr Wesen treiben, überhaupt kein Geld zu verdienen ist, gibt es hier kaum Agenten für Jazz.

Anders als manches Sensibelchen unter den Musikerkollegen, die ihr Business selbst in die Hand nehmen und die jede Absage eines Veranstalters in Existenzkrisen stürzt, bringt Mischa Schumann das mühselige Zusammentelefonieren einer kleinen Tournee mit all den Zurückweisungen kaum aus dem Gleichgewicht. Schlimmstenfalls stellt er es schnell wieder her - an den schwarzen und weißen Tasten des Flügels, zu denen seine Finger dann doch ein deutlich vertrauteres Verhältnis haben als seine Zehen zum Zebrastreifen.

Kürzlich erschien eine neue Trioplatte von ihm, "I Matters" (A-Jazz/Vertrieb NRW Jazz), deren Musik in ihrer Mischung aus europäisch geprägter Harmonik und originär jazzgerechter, also amerikanischer Behandlung derselben einzigartig dasteht im dichten Wald von Klaviertrio-Aufnahmen. Bei Jazz und Europa denkt man an Debussy und Ravel und die Spuren, die deren Impressionismus bei Pianisten wie Bill Evans hinterlassen hat. Mischa Schumann aber improvisiert eher aus dem harmonischen Verständnis eines Paul Hindemith heraus. Seine Musik ist kantig und fein und gesanglich nur für den, der diese Sprache mag. Sie ist frei von dieser süffigen melodischen Glasur, mit der viele andere zeitgenössische Klaviertrios gern die Energie ihrer Improvisation versüßen. Wer nach dem Nachfolgertrio von e.s.t. sucht, wird bei Mischa Schumann und seinen Begleitern Paul Imm (Bass) und Heinz Lichius (Schlagzeug) also nicht fündig. Die Herren betreiben ihr Geschäft von einer ganz anderen, wohltuend unverwechselbaren Warte aus.

Bei den Jazz open, die am Wochenende wieder zwei Nachmittage lang in Planten un Blomen Jazz zum Nulltarif bieten, ist Mischa Schumann als Pianist und Komponist gleich zweimal zu erleben. Als gewohnt dienlich und farbenreich agierender Begleiter im Quintett des Saxofonisten Tadeusz Jakubowski - und als Zentralfigur des Eröffnungskonzerts. Das Jazzhaus Orchestra Hamburg, das zuletzt nur höchst sporadisch auftrat, spielt eigens zu diesem Anlass ausschließlich Stücke von Mischa Schumann, alle von ihm arrangiert.

Mischa Schumann bei "Jazz open" Sa 25.6. 15.00 (Jazzhaus Orchestra Plays Mischa Schumann), So 26.6. 16.20 (TaDeUs), Planten un Blomen Konzertmuschel, (Bahnhof Dammtor) Eintritt frei