Gegen die kostenlose “Tagesschau-App“ gehen jetzt acht Zeitungsverlage vor. Sie bezeichnen das mobile Angebot als “schlicht rechtswidrig“.

Hamburg. Als die ARD am 21. Dezember 2010 erstmals ihre kostenlose "Tagesschau"-App anbot, war recht schnell klar, dass es nun Krach mit den Zeitungsverlagen geben würde. Das Angebot sei "schlicht rechtswidrig", gab der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) umgehend zu Protokoll. Anschließend beschritt man den Verhandlungsweg: Einzelne Verlage versuchten in Gesprächen mit Rundfunkanstalten den Konflikt zu lösen. Das Unternehmen scheiterte. Deshalb klagen nun acht Zeitungshäuser - unter ihnen auch die Axel Springer AG, in der das Abendblatt erscheint - mit Verbandsunterstützung vor dem Landgericht Köln.

"Die Ministerpräsidenten schauen untätig zu, wie mit Gebührengeldern umfänglich Pressetexte geschrieben und digital verbreitet werden", sagt BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. "Es bedarf in Deutschland aber keiner staatsfinanzierten Presse."

In ihrer Klage stützen sich die Verlage folglich darauf, dass öffentlich-rechtlichen Sendern laut Rundfunkstaatsvertrag die Verbreitung presseähnlicher digitaler Inhalte ohne Bezug zu einer konkreten Sendung verboten ist. Mit dieser Begründung könnten sie theoretisch auch gegen das Internet-Angebot "Tagesschau.de" klagen, dessen Angebot sich von dem der App nur unwesentlich unterscheidet.

"Es bedarf in Deutschland keiner staatsfinanzierten Presse", Dietmar Wolff, BDZV-Hauptgeschäftsführer

Doch die App der "Tagesschau" schmerzt die Verleger besonders: Da die Verbraucher gewohnt sind, für mobile Inhalte zu bezahlen - selbst mit banalen Klingeltönen kann man Geld verdienen -, setzen die Verlage darauf, dass dies auch für journalistische Angebote gilt. Erste Erfahrungen mit Apps für Smartphones und Tablet-PC wie dem iPad scheinen sie in dieser Einschätzung zu bestätigen. Nun befürchten sie, dass gebührenfinanzierte Apps öffentlich-rechtlicher Sender den sich gerade erst entwickelnden Markt zerstören könnten. Dann würde auch auf mobilen Medien die Gratiskultur Einzug halten, die es im stationären Internet gibt und es den Verlagen so schwer macht, online für ihre Inhalte Geld zu verlangen.

Bei der ARD hat man für die Klage kein Verständnis: "Ich bedaure diesen Schritt der Verleger, denn mit der ,Tagesschau'-App bewegen wir uns in unserer Kernkompetenz der Information", sagt NDR-Intendant Lutz Marmor. "Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende bei den zu erwartenden Verfahren obsiegen werden."

Die ARD wird sich im Prozess vermutlich auf die Bestands- und Entwicklungsgarantie berufen, die öffentlich-rechtliche Sender laut Bundesverfassungsgericht haben. Allerdings wollen die Verleger auch bei der EU-Kommission vorstellig werden.

Hier könnte der ARD tatsächlich Ungemach drohen. Denn nur weil Brüssel intervenierte, müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen ihre Angebote für Online- und mobile Medien überhaupt genehmigen lassen. In einem sogenannten Drei-Stufen-Test beschließen Rundfunk- und Fernsehräte über deren Zulässigkeit. Diesen Test, den die "Tagesschau"-App bestanden hat, halten die Verlage aber für unzureichend. In einer Pressemitteilung spricht der BDZV von einem "grundsätzlichen Mangel an einer effektiven Kontrolle der Gebührensender", auf die er die EU-Wettbewerbskommission hingewiesen habe.

Auch die WAZ, die mit WDR und MDR kooperiert, klagt gegen die App

Wie ernst es den Verlagen mit ihrer Klage ist, sieht man auch daran, dass zu ihnen auch die Essener WAZ-Gruppe zählt. Sie gilt als das Zeitungshaus mit den besten Beziehungen zu den Öffentlich-Rechtlichen. Die WAZ-Gruppe war der erste Verlag, der im Internet mit der ARD zusammenarbeitete: Die Sites ihrer nordrhein-westfälischen Blätter kooperieren mit dem WDR, die Online-Angebote ihrer Thüringer Zeitungen mit dem MDR.

Interessant ist aber auch, wer bei der Klage nicht mitmacht. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) hat sich ihr bislang nicht angeschlossen. Dabei ist die "Tagesschau"-App auch eine Bedrohung für kostenpflichtige Mobilangebote von "Spiegel", "Stern" oder "Focus". Womöglich ist die Zurückhaltung der Zeitschriftenverleger ja damit zu erklären, dass die "Tagesschau"-App von einer Tochterfirma des Medienhauses von VDZ-Präsident Hubert Burda entwickelt wurde. (abendblatt.de)