Die dänische Wahlberlinerin Agnes Obel lockt am 27. April mit ihren ausgefeilten, fragilen und magischen Melodien in die Hamburger Fabrik

Vor der Rockwood Music Hall steht eine Menschenschlange und wartet geduldig auf Einlass. Es ist kalt an diesem Montagabend, aber der Club an derAllen Street, nur einen Block von der bekannten Mercury Lounge entfernt, ist bekannt für ein gutes Programm mit Newcomer-Bands, leckeren Wein und Zuhörer mit offenen Ohren. Vier Bands sollen an diesem Abend spielen, den Anfang macht Agnes Obel. Die dänische Sängerin ist mit ihrer Cellistin Anne Müller am Vortag aus Austin angereist, wo sie beim SXSW-Festival gespielt hat. Jetzt soll die Premiere in New York folgen, immer noch der wichtigsten Stadt für populäre Musik.

Obel und Müller sind etwas aufgeregt. Wie wird das Publikum reagieren? Immerhin sind sie völlige Newcomer. Agnes Obel beginnt mit "Falling, Catching". Die angeregten Gespräche verstummen, schon mit dem ersten nur eineinhalbminütigen Instrumental zieht die Pianistin ihr Publikum in den Bann. Das wird sich auch in der nächsten Dreiviertelstunde nicht ändern. Mucksmäuschenstill verfolgt das Auditorium in der inzwischen brechend vollen Halle das Konzert des deutsch-dänischen Duos. Kein schepperndes Glas, keine laute Espressomaschine stört den Vortrag der zarten und fragilen Kompositionen. Am Ende applaudiert das Publikum frenetisch.

In anderen Ländern wird die 30 Jahre alte Künstlerin schon lange gefeiert: In ihrer Heimat Dänemark erhielt "Philharmonics" Doppel-Platin, in Frankreich gab es eine Goldene Schallplatte, in Deutschland hat Obel sich aus kleinen Clubs und Auftritten im Vorprogramm von Bands wie I Am Kloot so sehr ins Rampenlicht gespielt, dass sie am 27. April bereits einen Konzertort von der Größe der Fabrik braucht.

Es scheint, als würde die hübsche Künstlerin mit ihren verspielten zarten Miniaturen genau den Nerv der Zeit treffen, die Sehnsucht nach einer neuen Innerlichkeit.

Als Siebenjährige hat sie angefangen Klavier zu spielen. Sie erhielt Unterricht, doch Notenlesen machte ihr keinen großen Spaß. Weil ihre Klavierlehrerin sehr nachsichtig war, durfte Agnes Obel sich selbst Melodien ausdenken, eine Methode, mit der sie noch heute arbeitet. "Das war zum Beispiel bei ,Riverside" so. Mitten in den Aufnahmen von ,Philharmonics' saß ich an einem total verstimmten Klavier, war genervt, aber plötzlich kam diese Melodie hoch. Der Text entstand dann ebenfalls sehr schnell und ich hatte einen weiteren Song", erzählt sie. Mit seinen fließenden Klavierläufen wurde "Riverside" zum ersten Single-Hit der Dänin, die seit einigen Jahren in Berlin lebt.

"Kopenhagen wurde mir zu eng", sagt sie, "Berlin war der richtige Ort für mich. Es war als Fremde leicht, dort neu anzufangen, weil die Stadt so multikulturell ist. Die Stadt ist billig und man findet gute Plätze, an denen man leben und arbeiten kann."

Inzwischen lebt sie mit ihrem Freund Alex, einem Videokünstler, in Neukölln - jenem Stadtteil, der immer wieder als Berliner Problembezirk Schlagzeilen macht. Doch Agnes Obel fühlt sich dort wohl und hat sich niemals bedroht gefühlt. In Berlin hat sie ihr Album aufgenommen, dort hat sie die Cellistin Anne Müller getroffen, mit der sie im Duo auf Tournee geht, dort ist ihre neue Heimat.

In Berlin hat sie auch den Uhu gefunden, der auf vielen Fotos mit ihr und auf dem CD-Cover zu sehen ist und eine sehr passende Visualisierung ihrer Musik ist. "Wir wollten für das CD-Cover etwas kreieren, das an Hitchcock erinnert, aber nicht sofort zu erkennen ist. Ich habe mit dem Fotografen nach ausgestopften Vögeln gesucht, um eine Atmosphäre wie in ,Die Vögel' mit Tippi Hedren zu schaffen. In einem Laden mit Tierapparaturen in Steglitz haben wir den Uhu gefunden, der sehr lebendig aussah. Er war genau das, was wir gesucht haben." Wobei Obel zugibt, dass die mystische Eule mehr mit David Lynch als mit Hitchcocks "Vögeln" zu tun hat: "Ich liebe Lynchs ,Twin Peaks', insofern passt der Uhu perfekt."

Wenn Agnes Obel und Anne Müller jetzt in die Fabrik kommen, kann man nur hoffen und wünschen, dass ihr Hamburger Publikum genauso rücksichtsvoll und aufmerksam zuhört wie das in New York. Klirrende Biergläser würden die Magie ihrer Songs völlig vernichten.

Agnes Obel Mi 27.4., 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten zu 20,40 im Vorverkauf; www.agnesobel.com