Früher gab es keine Bilder, früher da gab es nur die Wirklichkeit. Und was verging, das verging eben. Es war die Erinnerung, die die Bilder ersetzte, und was man vergaß, das war für immer verloren.

Jedes Bild ist ein verzweifelter Versuch, sich gegen die Vergänglichkeit aufzulehnen. Ein Kampf, der heute umso erbitterter gekämpft wird, wo kaum etwas geschieht, das nicht durch Kameras dokumentiert und so für ewig konserviert wird. Ein Krieg, der damals begann, als man versuchte, mit einfachsten Mitteln etwas seines Lebens vor dem Vergehen zu bewahren. So ummauerte man beispielsweise nach einer Liebesnacht Schlafgemach samt Gemahlin. Lief mit großen weißen Säcken umher, um zu versuchen wie ein Schmetterlingssammler etwas vom Leben einzufangen. Beizte geliebte Tiere, dörrte Glücksgefühle. Säuerte, salzte, räucherte Euphorie, Ekstase, Rausch - doch es half alles nichts: Das Leben verging und nichts davon blieb.

Es ist der Anfang der Entstehung des Bildes. Später baute man Kisten aus Glas, in die die Menschen kamen, die man liebte. Doch schnell wurden daraus schreckliche Bilder, die Oscar Wilde zu seinem "Bildnis des Dorian Gray" inspiriert haben sollen.

Schließlich gab man es auf. Beschränkte sich stattdessen darauf, das Leben nachzubilden - aber eben aus Dingen, die sich konservieren ließen. Aus Stockfisch und Trockenobst formte man schöne Momente wie "Gruppenausflug bei Sonnenaufgang". Oder kleine Skulpturen, die mit viel Fantasie so aussahen wie die Menschen, die einem wichtig waren. Mit der Erfindung der Farben ließ sich dann exakter arbeiten, und nachdem es einem gelang, die Wirklichkeit fast identisch wiederzugeben, begann man mit einem Mal diese so darzustellen, wie man sich wünschte, dass sie wäre.

Das alles wird Ihnen noch einmal ausführlich auf dem Symposium "Die Erfindung des Bildes" erklärt.

Die Erfindung des Bildes Symposium Mi 22.6., 10.00-18.00, Bucerius-Kunst-Forum, Rathausmarkt