Im Ki.Ka-Prozess wollen die Vorgesetzten des Angeklagten K. von nichts gewusst haben

Erfurt. Frank Beckmann ist nervös. Unruhig läuft er im kleinen Vorraum des Schwurgerichtssaals des Erfurter Landgerichts auf und ab. Dabei ist der NDR-Fernsehdirektor mit kleiner Entourage aus Hamburg angereist. Doch die Anwesenheit seiner Lebensgefährtin und des NDR-Pressechefs scheint ihn nur bedingt zu beruhigen.

Beckmann steht vor einem nicht ganz unwichtigen Auftritt. Er muss im Prozess gegen den ehemaligen Herstellungsleiter des Ki.Ka, Marco K., als Zeuge aussagen. K. hat zwischen 2002 und 2010 etwa 8,2 Millionen Euro veruntreut und damit den kostspieligsten Skandal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland verursacht. Beckmann war von 2000 bis 2008 als Programmgeschäftsführer des Ki.Ka Vorgesetzter von K. Wie konnte es sein, dass der heutige NDR-Mann von den Unterschlagungen nichts mitbekam, bei denen der Herstellungsleiter den Sender mit Scheinrechnungen für nie erbrachte Leistungen betrog?

Diese Scheinrechnungen wurden von Untergebenen K.s als sachlich und rechnerisch richtig gegengezeichnet. Dass diese Ki.Ka-Mitarbeiter die Rechnungen nicht prüften und dazu auch gar nicht in der Lage gewesen wären, habe er nicht gewusst, sagt Beckmann. "Die Zeichnungsberechtigten wurden schon vor meiner Zeit bestimmt. Ich bin davon ausgegangen, dass alle wissen, was sie prüfen." Auf die Idee, diese Praxis zu hinterfragen, kam er nicht. "Für mich war das die Sache von Herrn K." Und überhaupt sei der Ki.Ka ja ständig überprüft worden, etwa durch die Landesrechnungshöfe.

Hier hakt die Anwältin des Herstellungsleiters, Doris Dierbach, ein: "Die Landesrechnungshöfe sind nicht dazu da, für Sie zu prüfen", sagt sie. "Sie waren der Vorgesetzte von Herrn K." Beckmann will das nicht gelten lassen. "Dafür hatte die Herstellungsleitung die Verantwortung", sagt er. Schon zuvor hatte der einstige Ki.Ka-Chef durchblicken lassen, dass er sich ja nicht um alles habe kümmern können. 60 Tage im Jahr sei er gar nicht am Sendersitz Erfurt gewesen. "Als Geschäftsführer war ich viel unterwegs."

Die Argumentationsstruktur Beckmanns ähnelt der seines Nachfolgers Steffen Kottkamp. "Ich habe keine Rechnung vorgelegt bekommen", hatte der amtierende Ki.Ka-Chef zuvor ausgesagt. Auch er mochte sich nicht in die Belange der Herstellungsleitung einmischen, obwohl er K.s Chef war. Von der Spielsucht seines Herstellungsleiters, die das Motiv für dessen Unterschlagungen war, habe er nichts gewusst. Beckmann verfügte zwar über Hinweise, die er aber nicht ernst nahm.

Die Neigung, möglichst keine Fragen zu stellen, war im Ki.Ka weit verbreitet. Auch der damalige Produktionsleiter unterschrieb einige von K.s Scheinrechnungen, "weil sie mir so vorgelegt wurden". Er fühlte sich nicht dafür zuständig, die Rechnungen zuvor zu prüfen. "Das gehörte nicht zu meinen Aufgaben." Der Mann ist heute als kommissarischer Herstellungsleiter bis auf Weiteres K.s Nachfolger.