Die Band “206“ aus Halle an der Saale spielt heute die schroffen, kritischen Lieder ihres hochgelobten Debütalbums

Astra-Stube. "Keine Sonne Keine Cola". Ein Slogan, der zunächst stark nach einem Sponti-Spruch aus den 80er-Jahren klingt. Doch das Trio 206 belässt es in dem Eröffnungsstück seines Debütalbums nicht bei markigen Sätzen, die sich flugs auf T-Shirts und Buttons drucken lassen. Die Texte von Gitarrist und Sänger Timm Voelker schreiben sich tiefer ein. Die schroffen Rockriffs und kantig rausgehauenen Verse ritzen sich ins Hirn und unter die Haut. Die Musiker aus Halle an der Saale erzählen von einer zerrissenen Jugend "unterm deutschen Mond", die im Dazwischen lebt, aufgekratzt und phlegmatisch zugleich. Denn nicht nur bei den Demonstrationen im Süden Europas passt es, Gertrude Steins Redewendung von der "verlorenen Generation" zu bemühen. "Es ist für mich sehr stark zu spüren, dass viele Leute nicht zufrieden mit ihrer Situation, aber auch in einer gewissen Ohnmacht sind, nicht zu wissen, wie sie da rauskommen", sagt Voelker, ein Wutbürger im wörtlichsten Sinne, dem die Haare widerborstig über den dunklen Augen hängen.

"Mir geht es darum, dass wir bewusst Sachen sagen und bewusst unsere Musik so machen, dass es die Leute eher vor den Kopf stößt, als dass sie sich darin wohlfühlen", sagt er über die Platte "Republik der Heiserkeit". Nicht wenigen gilt 206 als derzeit klügster Kampfhund im Rudel jener Bands, die dem Leben lieber mal in die Wade beißen, statt sich von ihm totstreicheln zu lassen.

"Mit bemerkenswerter Unruhe sprechschreien 206 und wärmen sich am Feuer aus brennender Aktualität", urteilt das Musikmagazin "Intro". "Im historischen Kontext werden die Songs entschlüsselbar und lassen dieses Debüt durchaus zur postsozialistischen Diskursplatte wachsen", orakelt die "Spex". Und der "Uni-Spiegel" attestiert den Dreien "mehr Wumms" als ihren Vorbildern Fehlfarben und Gang Of Four. Dabei ist Voelker gemeinsam mit seinen Band-Kollegen Leif Ziemann am Bass und Florian Funke am Schlagzeug vermutlich der Letzte, der in Stein gemeißelte Lobeshymnen braucht.

"Denn immer wenn alles okay scheint/kriegst du wieder eine reingedrückt", erklärt Voelker in "Kratzer To The Top" - ein Song, der immer wieder in den Punk ausbricht und wie die meisten Stücke des Albums mit einer Kürze von zwei bis drei Minuten auskommt. Er besingt beschädigte Menschen. Jene, die nicht perfekt passen und daher Schrammen davontragen. Jene, die sich nicht "alle dieselben Haare, Nasen und Ärsche machen lassen".

Der Tonfall von 206 ist ein genervter, direkter, auch ein zynischer. "Was bleibt mir anderes übrig/als mit meiner Armut anzugeben", proklamiert Voelker zum Beispiel in dem Lied "Goldjunge". Hartz IV ist Hardcore und eine Aussage wie "arm, aber sexy" blanker Hohn. Voelker verhandelt die Befindlichkeit im Land aus der Sicht eines Zuschauers, der auch Teilnehmer ist. Der die "Dauerwerbesendung im Fernsehen nachmittags halb vier" betrachtet und sich fragt, wie er sich dazu verhalten soll. Und die Referenzmaschine rattert dazu wenig zimperlich und verarbeitet Figuren von Jesus über Hitler bis zu Baader.

Der Bogen ist gespannt zu früheren Formationen wie den Hamburgern Cpt. Kirk, deren einstiger Frontmann Tobias Levin die "Republik der Heiserkeit" produzierte. Und auch die Liste der Künstler, für die 206 seit ihrer Gründung 2008 als Vorgruppe spielten, liest sich wie ein Empfehlungsschreiben in Sachen "Klappe aufreißen": Turbostaat, Abwärts, Jochen Distelmeyer, The (International) Noise Conspiracy.

"Live sind 206 so wunderbar verstörend, wie es die besten Bands schon immer gewesen sind", urteilt Tino Hanekamp, Autor und Programmplaner des Uebel & Gefährlich. Die kleine Astra-Stube könnte beim Konzert also durchaus explodieren. Oder, um mit 206 zu sprechen: "Hallo Hölle".

206 Mi 15.6., 21.00, Astra-Stube (Bus 3, 15) Max-Brauer-Allee 200, Eintritt an der Abendkasse: 7,-; www.myspace.com/zweihundertsechs