Die Race Horse Company ist von Donnerstag an mit ihrer Show “Petit Mal“ in der Stadt

Fliegende Bauten. Wer im medizinischen Fachjargon halbwegs bewandert ist, mag schon einmal auf den Begriff "Petit Mal" gestoßen sein. Er bezeichnet die niedrigste Stufe eines epileptischen Anfalls, der nicht von größeren motorischen Ausfällen begleitet wird. Wortwörtlich meint der Terminus so etwas wie "das kleine Übel", das sich aber doch immerhin noch durch kurzzeitige Bewusstseins- und Bewegungsstörungen oder Spannungsverluste der Muskulatur äußern kann.

Eine Akrobatik-Show mit dem Namen dieses Krankheitsbildes zu betiteln, mag da zunächst befremden. Ob der Titel doch treffend gewählt ist, lässt sich ab Donnerstag in den Fliegenden Bauten überprüfen, wenn das finnische Zirkus-Ensemble Race Horse Company mit "Petit Mal" Premiere feiert. Die Artisten Rauli Kosonen, Petri Tuominen und Kalle Lehto entwickelten ihre erste Produktion gemeinsam mit Regisseur Maksim Komaro, Komponist Tuomas Norvio und Lichtdesigner Juho Rahijärvi. Letztere gehören zur finnischen Zirkusgruppe Circo Aereo, die sich im Laufe der vergangenen 15 Jahre in der internationalen Zirkuslandschaft etablieren konnte.

Doch auch die drei Newcomer sind ausgewiesene Könner ihres Fachs. Sie studierten Akrobatik und Tanz an verschiedenen Akademien in Schweden, Finnland und Frankreich und schlossen sich 2008 als Gruppe zusammen. Bereits in der Saison 2009/2010 gewannen sie den europäischen Wettbewerb "Jeunes Talents Cirque Europe".

Ihr Markenzeichen ist eine wilde Mischung aus Adrenalin-geladenem Tanz, Breakdance, Kampfsport und Akrobatik. Was medial in Verruf steht, bietet den jungen Männern umso mehr Anlass zu zahlreichen akrobatischen Experimenten. So bedienen sie sich bei Kickboxen und Käfigkampf, lassen sich achtlos zu Boden fallen, werfen einander nachlässig um und schleudern sich durch die Luft. Was nach Chaos und Aggressivität aussieht, ist Teil einer bis in die kleinste Drehung ausgearbeiteten Choreografie.

Inspirationen für ihre Arbeit ziehen Kosonen, Tuominen und Lehto vor allem aus der Popkultur und dem Stadtraum. Bühnenbild und Bewegungsabläufe sind geprägt von ihrem Impetus, hinter alltäglichen Beobachtungen etwas Unerwartetes oder gar Subversives zu entdecken. Bereits in Internetvideos ist der Einfluss der Hip-Hop-Kultur kaum zu übersehen, wenn die drei Tänzer wie eine Großstadt-Gang über die Bühne wirbeln. Die klassischen akrobatischen Geräte wie Trampolin, Pfahl, Stange und doppelter Boden bereichern sie um urbane Requisiten wie Bälle und Autoreifen. Den Einflüssen von Cartoons und Comics folgend, darf es auf der Bühne ruhig wild und chaotisch zugehen. Die Kulisse eines Schrottplatzes bildet den Hintergrund der knapp 75-minütigen Show. Aus einer Szenerie der Zerstörung erwächst dann allmählich wieder eine Welt, ohne jedoch eine konkrete Handlung anzubieten.

Die Show soll ein kämpferisches, artistisches Spiel um Macht und Einfluss sein, das sich in der Dynamik des körperbetonten Wettkampfs spiegelt. Es soll ein rauschhafter Sog entstehen, der die Zuschauer in das Bühnengeschehen einbezieht.

Insofern dürfte der sinngebende Titel "Petit Mal" nach innen wie nach außen wirken: als sprachlich-körperliches Prinzip für die Tänzer, wenn sie sich der Wildheit ihrer Bewegungen hingeben. Und für die Zuschauer, wenn sie die Show später wie nach einer kurzen Bewusstseinspause wieder verlassen. Um durchzuatmen.

Race Horse Company - Petit Mal Do, 16.6., bis So, 10.7., jeweils 20.00, sonntags 18.00, Fliegende Bauten (U St. Pauli), Glacischaussee 4, Karten ab 29,90 bis 49,90 unter T. 88 14 11 880, ab 7 J., www.fliegende-bauten.de