Roger Waters' Neuauflage von “The Wall“ beeindruckt 12.500 Fans in Hamburg - und hat nichts an Wucht, Sprengkraft und Betroffenheit verloren.

Hamburg. Am Ende bleibt nur noch ein kleines Fenster übrig. Immer höher ist die Mauer aus weißen Quadern gewachsen. Ein wuchtiges, undurchdringliches Monstrum, das die Bühne bis zum Oberrang der O2 World verdeckt. Als sich schließlich zum Song "Good Bye Cruel World" die letzte Öffnung schließt, ist Pink, die Hauptfigur in Roger Waters' bildgewaltigem Spektakel "The Wall", auf dem Tiefpunkt seiner Depression angekommen.

Doch die weiße Ziegelwand ist nicht nur Symbol für Pinks Abschottung vor der Welt, sie ist auch Projektionsfläche für all die politischen und kritischen Aussagen des früheren Pink-Floyd-Bassisten. Aus Kampfflugzeugen regnen Kreuze, Dollarsymbole und Logos von Konzernen wie Shell und Mercedes, sie zeigt Porträts von Kriegsopfern, von Waters' Vater, der 1944 in Italien umkam, bis hin zu Aktivisten, die kürzlich im Iran ihr Leben verloren.

Auch 32 Jahre nach der Erstaufführung hat dieses pessimistische Multimediaspektakel nichts von seiner Wucht verloren. Die Welt ist keine bessere geworden, auch wenn der Kalte Krieg vorüber und der Eiserne Vorhang gefallen ist. 12 500 Zuschauer waren gestern Abend mitgerissen, erlebten eine perfekt inszenierte Rockshow, die durch die visuelle Kraft und die Macht der Songs die Sinne und den Verstand fordert. Am heutigen Sonnabend ist das zweite Konzert, für das bisher ebenfalls 12 500 Karten verkauft wurden.

Am Ende des Rock-Spektakels stürzt die Mauer in sich zusammen, doch Pink bleibt ein Gefangener der erduldeten Quälereien und Leiden. Kein Zuschauer wird die Arena nach diesem Konzert verlassen, ohne bewegt und aufgewühlt zu sein. "The Wall" ist ein Beispiel dafür, dass Rockmusik mehr sein kann als reiner Spaß. Allerdings schrieb Waters dieses persönliche Werk schon 1979. Wo gibt es heute noch Pop-Künstler, die zu so einem ergreifenden "Opus Magnum" fähig sind?