Die offizielle Kunstdoktrin scherte ihn wenig, dennoch machte Bernhard Heisig Karriere in der DDR. Ein Nachruf auf den renommierten Maler.

Hamburg. Bis zuletzt blieb Bernhard Heisig umstritten, doch dürfte das weniger der Kunst als vielmehr seiner politischen Rolle in der DDR geschuldet sein. Am Freitag starb Heisig, der gern als "Staatsmaler" apostrophiert wurde, nach mehreren Schlaganfällen 86-jährig in seinem letzten Wohnort, dem brandenburgischen Dorf Strodehne.

Bernhard Heisig gefiel sich durchaus als Aushängeschild der offiziellen DDR-Kunst und profitierte erheblich von dem System, dem er sich als SED-Mitglied und zeitweilig auch als Angehöriger der Leipziger Partei-Bezirksleitung besonders verbunden fühlte. Er war lange Zeit Rektor der renommierten Leipziger Hochschule für Buchkunst und Grafik und außerdem ein Verbandsfunktionär, der mit den Mächtigen in Ost-Berlin auf gutem Fuß stand.

Aber er war dennoch kein aalglatter Apparatschick, sondern ein kraftvoller Künstler, und gerade seine künstlerische Originalität brachte ihn manchmal selbst in Konflikt mit dem Staat, dessen politisch-ästhetische Vorgaben er stets sehr weitherzig ausgelegt und oft auch durchbrochen hat. Nein, Heisig war kein stupider Klein-Meister des Sozialistischen Realismus, sondern ein grandioser Maler, der in der Tradition von George Grosz und Otto Dix stand, zu einer expressiven, drastischen und manchmal wuchtigen Bildsprache fand, die den spießigen Genossen aus dem Kulturministerium Hören und Sehen vergehen ließ. Dass er sich stets zur Figuration bekannte, dürfte ihm nicht schwergefallen sein. Es war kein Kniefall vor einer Parteidoktrin, sondern entsprach seiner künstlerischen Überzeugung. Gemeinsam mit Willi Sitte, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer bildete er die "Vierbande" jener arrivierten DDR-Maler, die auch im Westen vorzeigbar waren und dort ausstellen durften, und zwar durchaus mit Erfolg.

Vor allem Künstlern, die die DDR verlassen und das dortige infame System von Kunstförderung und Kunstverhinderung am eigenen Leibe erfahren und erlitten hatten, stieß es freilich sauer auf, dass Heisig, Sitte, Tübke und Mattheuer auf der documenta 6 im Juni 1977, nur ein halbes Jahr nach der Biermann-Ausweisung, in Kassel ausstellen durften und so stärkeren Zugang zum westeuropäischen Kunstmarkt fanden.

Bernhard Heisig stammte aus Breslau, wo er als Sohn des Malers Walter Heisig geboren wurde. Er besuchte die dortige Kunstgewerbeschule, bis er sich als Freiwilliger bei der SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" meldete, um für den "Endsieg" zu kämpfen. Mehrfach verwundet geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft, wurde aber noch 1945 aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands entlassen.

Heisig kam in die sowjetische Zone, trat der SED bei und studierte in Leipzig Kunst. Schon Anfang der 1950er-Jahre machte er mit Zeichnungen und Grafiken zu historischen Themen wie der 1848er-Revolution und der in der DDR stets gefeierten Pariser Kommune von sich reden.

Obwohl er das eigene Studium nicht abgeschlossen hatte, wurde er an der Leipziger Kunsthochschule erst Dozent, dann Professor und schließlich sogar Rektor. Das ging gut, bis Heisig sich 1964 kritisch zur offiziellen Kulturpolitik äußerte, die damals auf einem Verbandskongress jede Form der künstlerischen Freiheit abgelehnt und stattdessen die völlige Inanspruchnahme durch die Partei gefordert hatte.

Propagandamaler zu sein widersprach Heisigs Selbstverständnis. Er verlor seinen Posten als Rektor, aber wirklich in Ungnade fiel er trotzdem nicht, denn Dozent durfte er bleiben. 1968 gab er von sich aus seine Lehrtätigkeit auf, auch weil ihm der stupide Dogmatismus, der in der späten Ulbricht-Ära an der Kunsthochschule herrschte, zuwider war, vor allem aber, um wieder freiberuflich arbeiten zu können. Denn an Anerkennung und Auftragsmangel litt er keineswegs. Mit historischen Themen, die in Duktus und Pinselstrich oft an Dix, in ihrer beißend-satirischen Zuspitzung an Grosz erinnerten, oder auch mit expressiven Porträts traf er den Nerv eines großen Publikums, sodass er keineswegs auf offizielle Staats- oder Parteiaufträge angewiesen war.

Unter Honecker machte die Partei schließlich ihren Frieden mit dem schwierigen Genossen. 1972 und 1978 erhielt er den Nationalpreis der DDR und 1976 wurde er wieder Rektor in Leipzig, wo er mit einer künstlerischen Haltung, die man später als "Leipziger Schule" bezeichnete, ganze Generationen von Malern prägen konnte. Fünf Jahre, von 1986 bis 1990, war Neo Rauch Meisterschüler bei Heisig und erwarb sich das Rüstzeug für seine Karriere als Superstar der international so erfolgreichen "Neuen Leipziger Schule".

Peter Ludwig und andere westdeutsche Sammler halfen Heisig, auch in der Bundesrepublik präsent zu bleiben. Für großes Aufsehen und politische Irritation sorgte Altkanzler Helmut Schmidt, als er sich als Maler für das offizielle Porträt, das im Kanzleramt die "Ahnengalerie" schmücken sollte, ausgerechnet den DDR-Maler Heisig wünschte.

Im Juli 1986 reiste Schmidt in Leipzig an und ließ sich von Heisig in dessen Atelier porträtieren. Die Stasi beobachtete dieses Treffen misstrauisch, notierte anschließend aber erleichtert: "Während des Aufenthalts wurden keine feindlich-negativen bzw. öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten bekannt."

Zum Dissidenten oder Vorkämpfer der Wende wurde Bernhard Heisig in den spätern Achtzigerjahren keineswegs. Im Dezember 1989, als kein Mut mehr dazugehörte, gab er die Nationalpreise zurück und trat aus der SED aus. Dass er damals als Wendehals beschimpft wurde, dürfte ihn kaum gewundert haben.

Doch spätestes 2005 war er im neuen bundesdeutschen Kulturbetrieb angekommen. Damals wurde erst in Leipzig, später in Düsseldorf und zuletzt im Berliner Gropius-Bau unter dem Titel "Die Wut der Bilder" eine große Retrospektive mit seinen Geschichtsmotiven, Porträts, Selbst- und Mutterbildnissen gezeigt.

Heisig durfte sich bestätigt fühlen. Auf die Frage, was das Ende der DDR für ihn geändert habe, meinte er: "Die Wende war keine Veranlassung, meine Mittel zu verändern - gar keine. Ich mache dasselbe, dieselben Bildstoffe, die ich früher gemacht habe."