Die Feuerwehr ist Zielscheibe unverdienten Spotts

Die Achse des Bösen befand sich mitten im Dorf, wir stromerten oft daran vorbei. Es wäre gelogen, sagte ich: Das fühlt sich an wie gestern, wie wir da mit kurzen Hosen und Sandalen (weiße Socken, klar) über brennendes Pflaster liefen. In der Erinnerung stand die Sonne immer hoch am Himmel und donnerte ihre Strahlen auf den Dorfplatz, und hinter Eisengitter und raschelndem Grün befand sich der Feind.

Ja, man hatte auch als Fünfjähriger schon Feinde, unbedingt sogar. Für uns waren es die Evangelischen, ihr Kindergarten lag auf dem Weg zu unserem und war terra incognita . Sie lärmten wie wir, die anderen, und wir sahen sie kaum je. Deswegen waren sie uns suspekt, ohne dass wir das Wort damals kannten. Kinderlogik, oder noch nicht mal: Ressentiments entstehen ja oft aus Unwissen und Ignoranz.

Aber in diesem Text soll es eigentlich um die Feuerwehr gehen, und der Bogen ist ganz leicht gespannt. Einfach einmal quer rüber vom Kindergarten zum massigen Gebäude mit den riesigen Toren der Fahrzeughalle, die unter Getöse hochrattern konnten. Am Anfang, als Kinderaugen die Autos mit Blaulicht davonbrummen sahen, beförderte die Feuerwehr wie nichts anderes Wahrnehmung und Fantasie: sensationell, diese große Welt aus Schläuchen, Leitern und kernigen Typen, die unter lautem Geplärre aufbrachen, um Brände zu löschen und Leben zu retten!

So einen Brand sahen wir freilich nie, und wenn die roten Fahrzeuge an uns vorbeifuhren, dann war das ganze Abenteuer, die große Tat, noch zusammengepresst: Die Leiter gefaltet auf dem Dach, der Schlauch gerollt am Heck. Dafür eierte die Sirene. Wir lauschten der Feuerwehr nach, solange die Sinuswellen zu uns tönten. Mit klopfendem Herzen, ausgestrecktem Zeigefinger und offenem Mund.

Mehr Bewunderung geht nicht. Mehr Bewunderung kann einem Feuerwehrmann, ja: überhaupt einem Mann (es sei denn, er fliegt auf den Mond) nicht entgegenschlagen. Manchmal übten die Feuerwehrmänner auf dem Dorfplatz. Dann entrollten sie ihre Schläuche und plärrten, wie immer, wir fanden's toll. Aber das änderte sich, so wie sich die meisten Dinge im Leben irgendwann ändern. Ich weiß nicht, wann sich der Spott über die doch ziemlich tumben und aufmerksamkeitsheischenden, die trinkfreudigen und täppischen Männer Bahn brach; ja, wann überhaupt die Wahrnehmung, dass ein Objekt lächerlich ist, Bestandteil kognitiver Prozesse wird. Wann maßt sich ein kleiner Hosenscheißer an, er hat gerade erst gelernt, sich die Schuhe selbst zuzubinden, Erwachsene, oder mindestens nahezu erwachsene Menschen, die er eben noch verehrt hat, mit Hohngelächter zu überziehen?

"Guck dir den Deppen an, er ist zu blöd, das Wasser aufzudrehen", so in etwa feixten wir, die Unterarme auf Lenker von Fahrrädern gestützt, die eben noch Stützräder im Gleichgewicht hielten. Wir wussten nicht, wen wir übler fanden: die Evangelischen oder die Feuerwehrleute. Heute finden wir weder Evangelische noch Feuerwehrleute blöd, und die Achse des Bösen hat sich in Luft aufgelöst. "Böse" waren die von der Feuerwehr auch nur manchmal, sie wussten sich mit Wasser gegen die rotzfrechen Drecksäcke zu wehren.

Feuerwehrmann zu werden war früh keine Option mehr, und nur einmal zweifelte man an dem Akt der Verschmähung: Als nach 9/11 Feuerwehrmänner sexy waren, für Männlichkeit und Heldentum standen. Haare auf der Brust waren mit einem Male sehr in, und der Pelz auf der Haut war doch auch das, was auf dem Dorfplatz so amüsiert hatte - igitt! Papa hatte so was nicht. Und auch keinen Helm, der ihm ständig über die Augen rutschte.

Plzen-Feuerwehr Mi 15.6., 19.00, Frau Hedi (U Landungsbrücken), Bei den St.-Pauli-Landungsbrücken 10, Vvk. 6,-/Ak. 8,-; www.frauhedi.de