Hamburg. Angela Winklers Interpretation von "Wie einst im Mai" kam so wunderbar altmodisch in Stimme und Duktus daher, dass nur noch das Kratzen einer Grammofonnadel auf der Schelllackplatte zum Originalklang fehlte. Die große Schauspielerin stand im St.-Pauli-Theater zum ersten Mal ausschließlich mit Chansons auf der Bühne - und trotz einiger kleiner Texthänger spürte jeder: Abende wie dieser könnten eine weitere Erfolgsgeschichte in ihrem Leben werden, trotz des späten Debüts mit 67 Jahren.

Sie und ihre drei Musiker (Adam Benzwi, Klavier; Horst Nonnenmacher, Bass; Melanie Barth, Akkordeon) hatten eine ungewöhnliche, eine exquisite Mischung von Liedern mitgebracht, in der Barbara, die Piaf, Fritzi Massary und Sophie Hunger, Bert Brecht, Sven Regener, Friedrich Holländer und Kurt Weill, Arnold Schönberg und Volkslieder, freche Lieder aus den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wie kleine Juwelen aneinandergereiht waren. Sie alle handelten von Liebe und Zärtlichkeit, von Irrwegen, Abschieden und Missverständnissen.

Fast ein bisschen schüchtern, mit großem Respekt vor ihrer neuen Aufgabe stand Angela Winkler im schlichten schwarzen Kleid auf der Bühne. Und es dauerte ein bisschen, bis sie sich freigesungen hatte, bis sie das Mikrofon endlich auf seinem Stativ parkte und mit sparsamen, aber eindringlichen Gesten die Töne unterstrich. In solchen Momenten traute sie dann auch ihrer Stimme mehr zu; sie wirkte voll und stark, kicherte manchmal wie ein kindlicher Kobold.

Aber auch die leisen, die verletzlichen Töne, die stimmsicher gehauchten, fast nur geträumten Melodien fanden ihren Weg in die Herzen der Zuhörer. Angela Winkler, die Chansonnière - das ist ein geradezu intimes Vergnügen und ein großartiger Genuss.

Das Publikum im Parkett gab sein Bestes, die Lücken auf den Rängen auch im Applaus nicht spürbar werden zu lassen, und wurde mit Zugaben reich belohnt.