Levy, die Galerie der Woche, widmet dem Werk von Stefan Wewerka eine Einzelausstellung

Galerie Levy. Der Stuhl ziert sich. Oder scheut der hölzerne Vierbeiner gar? Legt er einen flotten Schieber aufs Parkett? Beine, Lehne und Sitzfläche biegen sich zur Seite, als wolle er sich schon im Vorfeld möglicher Platznehmer entledigen. Der rote "Classroom chair" ist eine der bekanntesten Schöpfungen von Designer, Künstler und Filmer Stefan Wewerka.

In Hamburg hatte sein Stuhl in Schräglage zuletzt im Museum für Kunst und Gewerbe anlässlich der Ausstellung "Ideen sitzen" seinen Auftritt. Nun kehrt er zurück in die Räume der Galerie Levy, die Wewerka derzeit eine Einzelschau widmet. Zeichnungen, Gemälde, Objekte und Schmuck geben einen kleinen Einblick in die Ideenwelt des Stefan Wewerka. Gemessen an der Auswahl der Werke aber überwiegt dessen Hang zum Gesamtkunstwerk "Stuhl".

Wie ein Dompteur zwingt Wewerka das Möbel in die Knie, lässt es gleich einem wehrlosen Käfer auf den Rücken fallen, streckt es zu einem "Long Chair" oder verkürzt Sitzfläche samt einem dazugehörigen Tisch zur Zweidimensionalität. Für die Kür nach solchen Pflichtübungen des geschundenen Parade-Designobjekts Stuhl sorgen drei "Krümmlinge" in den Farben Grün, Gelb, Rot. Das akrobatische Kunststück dieser Troika in Reih und Glied besteht aus einem perfekten Zusammenziehen und Zusammenrollen der Stuhltektonik. Das Ergebnis sind platt gedrückte Kugelstühle, die wundersame Metamorphose der Sitzgelegenheit zum Laufrad. Für Beziehungsgestresste hält Wewerka schließlich noch drei Stuhlpaare parat, zusammengenagelte, in sich verschachtelte, symbiotisch vereinte oder hierarchisch geordnete Küchenstühle aus dem Hause Ikea. Da haben sich zwei ineinander vernarrt und wissen nun nicht mehr, wie sie voneinander loskommen sollen - schöne Anschauungsobjekte sind das für teuer-langweilige Stunden bei der Therapeutin.

Stefan Wewerka, geboren 1928, ist mehr Experimentator als einer mit der großen durchgängigen Linie, der Meistergeste, die alles in ein wiedererkennbares Format zwingt. Deutschlands Kunst-Mufti Bazon Brock, ein ehemaliger Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, nannte ihn einen "Großmeister des Antifundamentalismus durch Ermunterung der Dinge zur Schieflage, zum Eigensinn und zur blühenden Vieldeutigkeit und Mehrwertigkeit". Vielleicht ist das die Geste von Stefan Wewerka, das Windschiefe, das seine Dinge und Objekte zum Krümmen und Biegen, sie in die Diagonale statt in das Rechteck bringt.

Wewerka ist ein Wind-Genius, dem es Lust erzeugt, die Welt kräftig an- und umzublasen. Ein Aktenkoffer samt Inhalt, unter anderem mit Briefmarken, besticht durch durchgängiges Rautenformat. Eine englische Telefonzelle überbietet die Schräglage des Turms von Pisa, und Kacheln verjüngen sich hier wie die bekannten Parallelen, die sich im Unendlichen treffen. Wewerkas Lieblingstraum aber wird immer ein Projekt bleiben: die Erdkugel zu halbieren, beide Häfte gegeneinander zu verdrehen und wieder zusammenzukleben.

Und dann bringt Wewerka zusammen, was noch nicht so recht zusammengehören wollte, jedenfalls damals anno 1989 im Jahr der großen Ost-Implosion. Münzenteile aus der Bundesrepublik und der DDR verkuppelte er mittels eines Scharniers zu Ehren eines Dramaturgen und einer Polit-Vision: Vive l'Europe! Hommage à Heiner Müller.

Stefan Wewerka - Nahaufnahme bis 1.7., Galerie Levy (Metrobus 5), Osterfeldstraße 6, Öffnungszeiten Mo-Fr 10.00-18.00 und nach Vereinbarung; www.levy-galerie.de

Über sein Leben, seine Arbeit und seine Sicht der Dinge hat Stefan Wewerka gemeinsam mit Alexander Wewerka und Wulf Herzogenrath das Buch "Nahaufnahme" veröffentlicht (288 Seiten, 34,90)