Die Animation “Arrietty - Die wundersame Welt der Borger“ ist ein vielfarbiges Juwel

Klein ist noch untertrieben. Arrietty ist so winzig wie ein Daumen. Ansonsten sieht sie aber aus wie ein ganz normales Mädchen, ist hübsch, aufgeweckt und furchtlos. Arrietty lebt mit ihren Eltern unter den Dielen einer Abstellkammer in einen altem Haus, irgendwo in einem Vorort von Tokio. Richtig gemütlich haben die Däumlinge es hier - mit Blumentöpfen, karierten Vorhängen, Briefmarken als Posterersatz und sogar einem offenen Kamin.

Die Dinge, die sie zum Leben brauchen, borgen sie sich von den Menschen, aber immer nur so viel, wie sie brauchen, und immer nur so wenig, dass die Bewohner des Hauses den Verlust nicht bemerken. So ein Stück Zucker passt gerade mal in den Rucksack und reicht verdammt lange, und wer sagt denn, dass eine Stecknadel nicht auch als Degen durchgeht. Wichtigste Regel: bloß nicht erwischen lassen. Denn die Großen dürfen nichts wissen von den Borgern. Doch dann zieht der 12-jährige, herzkranke Sho in das Haus seiner Tante. Schnell hat er bei seinen Erholungsspaziergängen im Garten das lütte Mädchen entdeckt. Der Beginn einer ungewöhnlichen, aber auch gefährlichen Freundschaft.

Der neue Animationsfilm aus dem Studio Ghibli, für das Meisterregisseur Hayao Miyazaki bereits "Prinzessin Mononoke", "Chihiros Reise ins Zauberland", "Das wandelnde Schloss" und "Ponyo" realisiert hatte, beruht auf der bekannten Romanreihe "Die Borger" von Mary Norton. Miyazaki schrieb diesmal "nur" das Drehbuch und überließ die Regie einem anderen: Hiromasa Yonebayashi. Trotzdem ist "Arrietty" wieder ein künstlerisches Juwel der Ghibli-Studios geworden, unterhaltsam, fantasievoll und perfekt gezeichnet. Ein kleines Mädchen, ein großer Junge, Freundschaft, Liebe, Unschuld - eigentlich eine einfache Geschichte, zumindest auf den ersten Blick. Denn "Arrietty" ist reich an Themen und Deutungsmöglichkeiten.

Es geht um Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Toleranz, aber auch um Abschied, Krankheit und Tod. Schwerer Stoff für einen Animationsfilm. Und doch verbindet Yonebayashi das Realistische mit dem Fantastischen so selbstverständlich, vereint Fabelwesen und Menschen so stimmig, dass es eine Freude ist. Große Bedeutung kommt auch hier der Natur zu, die - wundervoll und detailfreudig gezeichnet, von der Farbenvielfalt ganz zu schweigen - so etwas wie ein mythischer Fluchtpunkt ist, in dem die Welt noch in Ordnung scheint. Besondere Sorgfalt hat der Regisseur darüber hinaus auf die glaubwürdige Charakterisierung der einzelnen Figuren gelegt. Das gilt sowohl für die Borger, die mit ihren Alltagssorgen genau umrissen sind, als auch für die Menschen.

Bewertung: überragend

Arrietty - Die wundersame Welt der Borger Japan 2010, 94 Min., ab 6 J., R: H. Yonebayashi, im Abaton, Koralle, Zeise; www.universumfilm.de