In der Laeiszhalle bewies der Franzose Antonine Tamestit, dass er den Bogen raushat

Hamburg. Für diese ganz zärtlichen Töne, die so klingen, als würden sie uns liebevoll die Wange kosen und dabei ein paar tröstende Worte ins Ohr flüstern, ist die Bratsche einfach das beste Instrument. Zumindest dann, wenn ein sensibler Saitenstreichler wie Antoine Tamestit den Bogen führt.

Der junge Franzose lässt seine Stradivari-Viola ganz nach Belieben wunderbar warm raunen, geheimnisvoll säuseln oder wie mit belegter Stimme sprechen - um dann plötzlich, in größter Erregung, eine lang angestaute Leidenschaft herauszusingen. Ganz so, wie es Johannes Brahms in seiner späten Es-Dur-Sonate op. 120 gewollt hat.

Gemeinsam mit dem Pianisten Julius Drake fügte Tamestit viele expressive Details zu einem kantablen Bogen und formte daraus eine berückende und beglückende Interpretation. Sie war der Auftakt eines Kammermusikabends in der Kleinen Laeiszhalle, der vokale und instrumentale Werke zu einem spannenden Programm vereinte.

Allerdings fiel die Dritte im Bunde, die Mezzosopranistin Christianne Stotijn, gegen ihre Kollegen zunächst deutlich ab: Bei den Brahms-Liedern hatte sie die Registerwechsel nicht gut im Griff, bekam in der Höhe ein merkwürdig enges Vibrato und sang oft einen Tick zu tief. Schade um die subtil gedeckten Farben, die Julius Drake dazu aus dem Flügel zauberte.

Auch in zwei Songs des Renaissance-Melancholikers John Dowland verströmte Stotijn nicht jene traumwandlerische Sicherheit wie Tamestit, der mit Benjamin Brittens "Lachrymae" an Dowland anknüpfte und einen weiteren Höhepunkt setzte.

Erst bei den "Chansons de Bilitis" von Claude Debussy, auf lyrische Ergüsse des Dichters Pierre Louÿs komponiert, gelang es der jungen Niederländerin, ihr großes Potenzial anzudeuten: Vor allem in der tiefen Lage betörte sie da mit ihrem dunklen, stellenweise hauchig-rauchigen Timbre, das hervorragend zur schwülen Sinnlichkeit der Musik passte.

Auch im Zyklus der "Quatre poèmes" von Charles Martin Loeffler - eine äußerst eigenwillige Kostprobe elsässischer Spätromantik - und bei ihrer Tschaikowsky-Zugabe hatte sich Christianne Stotijn dann auf einem guten Niveau eingependelt. Überragende Sängerin des Abends blieb aber die knapp 340 Jahre alte Viola des phänomenalen Bratschers Antoine Tamestit.