Von ihnen ist das Revival der Protestsongs zwar eher nicht zu erwarten: Trotzdem wird die Band Ja, Panik derzeit landauf, landab gefeiert

Hamburg. Am Sonntag spielt die derzeit beste deutschsprachige Popband im Hamburger Klub Uebel & Gefährlich. Sie heißt Ja, Panik, und ihr Popentwurf lässt ganz unpanische Schlüsse auf die Tradition zu, in der sie steht. Seit fünf Jahren gibt es die aus dem österreichischen Burgenland stammende Musikgruppe, und fast genauso lang wird sie mit den Hamburger Bands Tocotronic und Blumfeld verglichen. Die sagten so laut und klug, so überzeugend und clever wie niemand vorher "Ich" und auch manchmal "Wir".

Ohne Akzent, Hamburger Sprachschule halt. Anders Andreas Spechtl, der androgyne Sänger und Texter von Ja, Panik. Er macht seinen österreichischen Zungenschlag zum Stilmittel, aber er artikuliert nicht nur Deutsches, sondern auf dem neuen Album "DMD KIU LIDT" besonders auch Englisches; sämtliche Songs tragen englische Titel. Sprechtls lässig hergesungene Entschuldigung im Lied "Trouble" ist natürlich nur Pose: "Sorry for my bad English, but my German's even worse." Ja, Paniks Austro-Englisch ist längst zum Markenzeichen geworden. Das erinnert natürlich stark an den nach Mozart größten Popstar, den Österreich je hervorgebracht hat: Johann Hölzl, der dann international als Falco bekannt wurde.

Ja, Panik wird in den einschlägigen Postillen derzeit landauf, landab gefeiert. Für ein perfektes Album, dessen sperriger Titel jeder Plattenfirma gegenüber eine Frechheit ist und den Textdeutern und popintellektuellen Spurensuchern eine Verpflichtung.

Ob Spechtl und seine Kompagnons sich klammheimlich über die Irrwege der Hörer in der Referenzhölle lustig machen, ist eigentlich egal (Songtext: "Nur, dass ich finde es wär' an der Zeit aufzuhörn/Das bisschen Klimmbimmlala für gar so wichtig halten/Gilt es doch nach wie vor, eine Welt zu zerstör'n/Jedes Lied davon eine Restauration") . Das Akronym "DMD KIU LIDT" steht für "Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit". Der Titel führt den in die Irre, der einen politischen Inhalt erwartet.

Würde ja in die Zeit passen: Der Wutbürger, der vor ein paar Monaten im Schwäbischen geboren wurde, ist angeblich eine der prägenden Sozialfiguren der alleraktuellsten Gegenwart. Braucht die einen Soundtrack zum Aufstand? Nach Ansicht der "Spex" schon: Das Musikmagazin rief unlängst einen Wettbewerb aus. Gesucht wird der beste Protestsong, In der Jury: Ja, Panik-Sänger Andreas Spechtl, ironischerweise. Dazu muss man wissen, dass die vorletzte CD der Österreicher "The Angst And The Money" hieß und irgendwie auch von der Finanzkrise handelte. Die Auseinandersetzung mit der Welt da draußen war freilich immer spielerisch, ohne Handlungsanleitung. Kunst. Auf die Barrikaden?

Vielleicht, aber dann ohne Musik.

Oder will jemand eine Protesthymne hören, die von Kopfbahnhöfen und ähnlichem handelt? Das neue Album von Ja, Panik handelt von Existenzialismus, Depression und Wurschtigkeit, es ist ein großes Zeugnis des Subjektiven.

Wie bei Tocotronic muss man an das grauslige Wort "Befindlichkeit" denken und auch an ein eher diffuses Unzufriedensein mit den auch sehr persönlichen Zuständen. Es geht um das Verhältnis von Ich und Welt. Ein zeitloses Sujet, dem Andreas Spechtl im Titelsong, einer viertelstündigen(!) Teufelsaustreibung, eine unfassbare Interpretation hinzufügt. Die poetische Katharsis wurzelt in der Flucht, zurückgeworfen ist man auf das Selbst: "Denn nicht du bist in der Krise/sondern die Form, die man dir aufzwingt/Atomisierte Einsamkeiten, im Westen, Osten, Süden, Norden".

Der Mensch als Monade, als selbstbezogenes System: Glaube mal niemand, die Protestler gegen Baumfällungen oder auch Theaterschließungen seien keine Egozentriker. Es geht immer auch um Eigeninteressen oder wenigstens die der eigenen Kaste. Da ist eine stellenweise auf furiose Weise postpubertäre Künstlerplatte wie "DMD KIU LIDT" mit Songs, die "Nevermind" (immer schön das Verweisen auf die Popgeschichte nicht vergessen!) und "Suicide" heißen, nicht unehrlich.

Und die Sponti-Weisheit "Das Private ist politisch, und das Politische ist privat" kann man ja auch immer anführen. Angst machen müssen die Songs von Ja, Panik niemandem: Wenn sie von einem isolierten Ich handeln, zitieren sie doch nur etwas, was immer schon Thema der Kunst war.

Also, die Wiedererweckung des Protestsongs ist von Ja, Panik eher nicht zu erwarten. Empört wird sich hier nicht über die "schrecklich dunkle Welt" (Textzeile), man schunkelt eher zu den Untergangs-Phantasmas, als dass man sie fürchtet. Der kommende Aufstand? Ist wie immer einer gegen die Zumutungen durch die anderen, gegen die Heuchler, die Saturierten, die Mächtigen. Also ganz wunderbar.

In "The Horror" singt Spechtl "And I won't come back no more/I burned the manifestos/And I burned my guitar". Politisch und mittenrein sind andere: "Meet Me In The Basement", ein Song der kanadischen Band Broken Social Scene, wurde nach dem G20-Treffen in Toronto zur Hymne der Protestler. Der dazugehörige Videoclip will zeigen, was alles falsch läuft auf dem Planeten und Bilder von den Globalisierungsgegnern. Er kommt ohne Worte aus, der Song ist instrumental.

Ja, Panik: DMD KIU LIDT (Staatsakt). Konzert am Sonntag, 29.5., im Uebel & Gefährlich