In der Handelskammer, der Galerie der Woche, sind die Städteporträts des Hamburger Fotografen Michael Zibold zu sehen.

Handelskammer. Rio, Lissabon, Tokio, Istanbul und Shanghai. Allesamt klangvolle Namen auf der Landkarte einer mittlerweile globalisierten Welt. Bekannte Bildgeber aber auch für prominente Wahrzeichen, ob Wolkenkratzer-Landschaft oder Copacabana. In den Städteporträts des Hamburger Fotografen Michael Zibold bleibt urban-architektonische Prominenz jedoch meistens außen vor. Ein wenig lugt da zwar noch das Opernhaus in Sydney über den Bildrand, eröffnet sich ein Blick in Istanbuls Hagia Sophia oder gibt Rios' Christus seinen Segen im Abendlicht. Das war's aber schon mit der globalen Herrlichkeit.

Zibold, dessen Schwarz-Weiß-Fotos in der Handelskammer unter dem Titel "Passagen" ausgestellt sind, bevorzugt den städtischen, leicht abwegigen Alltag, die unverhofften und unerwarteten Begegnungen mit Menschen und urbanen Stillleben. Das alles ist klassische, analoge Fotografie. Mit ihr eröffnen sich die bewährt avantgardistischen Perspektiven der straight photography, die keine Manipulation duldet, nur das Ausloten von Motiv und seinen räumlichen Gegebenheiten.

Der erste Eindruck eines Reportagenstils aus den Blütezeiten namhafter Illustrierter im 20. Jahrhundert ist deshalb kaum von der Hand zu weisen. Aber die Bilder aus zahlreichen Städten, überwiegend Hafenstädten einschließlich Hamburg, sind jüngeren Datums. Alle entstanden im Laufe der letzen beiden Jahrzehnte während zahlreicher Reisen, die Michael Zibold rund um die Welt führten. Sie erforschen den Raum, sein Licht, seine Gebäude, seine Passanten, seine zufälligen wie manchmal auch typischen Lokalkolorite. Während Henri Cartier-Bresson in seiner Fotografie immer auf den entscheidenden Moment wartete, gibt Zibold mehr dem Raum den Vorzug. Manchmal aber gelingt auch ihm das Einfangen besonderer Augenblicke, etwa der Gleichschritt zweier eingehakter Blondinen, die dank Langzeitbelichtung ihre beiden linken Beine synchron zu luftigen Schnörkeln verdrehen. Als Flaneur und Spaziergänger durchwandert Zibold die Stationen seiner Weltreisen. Im kalten, klaren Winterlicht der tief stehenden Sonne in St. Petersburg fängt er einen kantigen Sowjet-Bus mit vorauseilenden Schatten ein. In Bombay einen Elefanten mit Swastika auf der Stirn, in Shanghai eine öffentliche Feuerlöscherstelle, in Liverpool eine zerfranste, ausgeblichene Fahne nahe der Bucht, vergessene Landmarke einer einst prosperierenden Hafenstadt.

Es ist auffällig, wie wenig metropolenlastig sich Zibolds Fotografien präsentieren. Keine Tigerstaaten-Betonlandschaften-Ästhetik, kein Menschenmassen-Auflauf, weder Hightech noch elektronisches Zeitalter finden in diesen Fotografien ihren Ort. Stattdessen richtet sich sein Blick auf Einzelpersonen: bei der morgendlichen Leibesübung, erschöpft vor einem blumendekorierten Auto sitzend, mit zartem, flaumigen Rückenhaar, beim Passieren einer aggressiven Werbewand oder während der Hausarbeit vor laufendem Fernseher. Dazwischen immer wieder vorgefundene Stillleben, ein alter Fiat Cinquecento vor einem monströsem verpackten Irgendwas, herabhängende Drähte entlang einer Hauswand oder das surreale Zusammenspiel etlicher Kugelleuchten mit ihren sich windenden und gebogenen Lampenmästen. Bild um Bild wächst Globalität bei Michael Zibold aus diesen kleinen und großen individuellen Begebenheiten zusammen.

Michael Zibold: "Passagen" Mo-Do 8.00-17.00, Fr 8.00-16.00, Handelskammer (U Rathaus), Adolphsplatz 1; www.hk-24.de , www.michaelzibold.de

Bildband während der Ausstellung für 40,- erhältlich (im Handel 48,- Euro)