In Zeiten des Kate-und-William-Taumels finden Anti-Royalisten Zuflucht bei einem Gedicht Bertolt Brechts. Der schätzte die Monarchen gar nicht.

Hamburg. Das Theater-Genie Bertolt Brecht ist der Gewährsmann oder, nun ja, der Kronzeuge aller überzeugten Republikaner und Anti-Monarchisten, die auf das heute stattfindende Hochzeitszeremoniell in London mit Abscheu reagieren. Seit den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nannte man Brecht zwar einen Kommunisten (und er sich selbst auch), immer schon war der Angestelltensohn aus Augsburg aber ein Republikaner (alle Macht dem Volke!) und Gegner der Monarchie. Er stand auf der schwarzen Liste der Nazis, 1933 flüchtete er aus dem Hitler-Reich. Im dänischen Exil dichtete der Erfinder des Epischen Theaters die "Fragen eines lesenden Arbeiters", es ist eine fulminante Absage an die Monarchie. In der Sprache Marx': an die herrschende Klasse. Es wurde erstmals 1936 in der Zeitschrift "Das Wort" in Moskau veröffentlicht, seine Aussage ist so kämpferisch wie trotzig - der Arbeiter ist das Subjekt der Geschichte, nicht der König. Und implizit: Der König ist ein Ausbeuter, dessen Reichtum auf der Tatkraft seiner Untertanen beruht. Also ein schlechter Typ.

"Wer baute das siebentorige Theben / In den Büchern stehen die Namen von Königen. / Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? / Und das mehrmals zerstörte Babylon, / Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?", so fragt das Gedicht. Es sind rhetorische Fragen. Die Welt ist eine von Menschenhand gemachte, und durch die fließt kein blaues Blut, sagt Brecht.

"Fragen eines lesenden Arbeiters" ist stets als Kritik an der Geschichtsschreibung verstanden worden. In der kommt der Normalsterbliche nicht vor; werden die Polizisten, die den Verkehr regeln auf Londons Straßen, dereinst Erwähnung finden? Wird sich die Geschichte an die Menschen erinnern, die das Medienereignis in Westminster Abbey ordnen und die Sicherheit aller Beteiligten gewährleisten? Und prosaischer: Wer zahlt eigentlich für die Chose - "die Spesen", wie Brecht dichtet?

Das Gedicht steht in Brechts Band "Kalendergeschichten", seine zeitlose Relevanz wird durch das William-heiratet-Kate-Event eindrucksvoll belegt. Wo der weltweite Hype Monarchie-Fans hyperventilieren lässt, übersetzen die Kritiker Brechts "Die Sendung mit der Maus"-Fragen in die Gegenwart. "Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?", fragt Brecht. Genau: Warum vom König reden, wenn er doch nichts ist ohne seine Bediensteten. Und seine Untertanen.

"Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war, die Maurer? Das große Rom / Ist voll von Triumphbögen / Über wen triumphierten die Cäsaren?" - über andere Herrscher, besonders aber über wiederum deren Untertanen. Gestorben für die Krone ist das Volk. Den Säckel des Schatzmeisters bei Hofe voll gemacht hat selbiges.

Wenn der König siegte, kam er in die Geschichtsbücher. Die, die seinen Sieg auf dem Feld erfochten, waren allenfalls eine Notiz: wenn berichtet wurde, wie groß das Heer war und die Gruppe der Gefallenen. Brecht kritisierte mehr noch als die Monarchie die exponierte Rolle ihrer Repräsentanten: "Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg / Wer siegte außer ihm?"

Trotzdem sind seine Verse Munition für die Anti-Royalisten, die angesichts der Begeisterung für Gekrönte nur den Kopf schütteln können.

Die meisten Royalismus-Kritiker denken heute nicht in den Kategorien des Klassenkampfs, sie fragen sich als Demokraten: Was soll toll an gekrönten Häuptern und penetranten Repräsentanten sein, die man nicht wählen, also auch nicht abwählen kann?

Anders als Brecht schielen sie nicht in die Geschichtsbücher, sondern auf die Geschichtsvergessenheit der Monarchie-Fans: Wie kann man sich nur so blenden lassen?