Der Hamburger Patrick Zimmer alias finn. findet sich selbst in den Songs anderer. Heute stellt er seine neue, einzigartig gute Platte vor

Golem. Lieder, einmal in die Welt geschickt, führen in jedem Menschen, der sie hört, ein Eigenleben. Der Hamburger Patrick Zimmer, der sich als Künstler seit zehn Jahren "finn." nennt, hat 13 Songs, die nicht aus seiner Feder stammen, zu seinen eigenen gemacht. Begriffe wie "covern" können nur Hilfsvokabeln für diesen Prozess sein. Vielmehr scheint es, als habe er Klassiker wie Billy Joels "She's Always A Woman" mehrfach in sich gefiltert und dabei jede falsche Ehrfurcht oder ironische Distanz gegenüber dem Original verloren. "Ich habe die Lieder so verinnerlicht, als wären es meine Kompositionen. Wenn ich das Original höre, klingt das für mich absurderweise schon wieder wie eine Coverversion", sagt Zimmer.

Wie das klingt, ist auf seinem siebten Album zu hören, das heute erscheint und das er am Abend beim 15. Jubiläum seines Labels Sunday Service im Golem vorstellt. Der Titel der Platte: "I Wish I Was Someone Else".

Dieser Satz, dieses Sehnen nach einer anderen Identität, sei durchaus kritisch gemeint, vor allem in Bezug auf die starke Ikonisierung in der Musik, erzählt Zimmer. Aus der Zeit gefallen wirkt er, wie er da beim Café Unter den Linden sitzt mit seinem schlichten Mantel und dem akkurat gescheitelten Haar, das glatt am Kopf liegt. Ein Kopf mit ruhigem, offenem Blick. Zimmer ist einer, der seiner Umgebung zugewandt ist, sich aber nicht in ihr verschwendet.

"Nach außen hin zu leben, das wird immer extremer", sagt er. Die Frage laute immer häufiger "Wie werde ich wahrgenommen?" statt "Wie fühlt sich das an?" Deshalb hat der Singersongwriter Nummern wie "Dancing With Tears In My Eyes" von Ultravox den Show-Anzug ausgezogen. Ungeschützter stehen die Lieder da, wenn kein Bombast sie ummantelt, wenn sie oft nicht mehr als nur Stimme und Gitarre tragen. Andere wiederum sind behutsam-beschwingt in Band-Arrangements gehüllt.

Der satte Sexappeal von Prince' Potenzhit "Kiss" etwa verleiht finn. in seiner entblätterten Variante Sinn und Sinnlichkeit. "Dieses Bild des extremen Machos, was man heute ja schon gar nicht mehr sein darf, das hat mich amüsiert", sagt Zimmer, nimmt einen Schluck Rotwein und stellt das Glas zurück auf das silberne Tablett vor ihm.

Manche Stücke entdeckte er in Filmen, etwa "Moonlight" von King Crimson in dem melancholischen Werk "Buffalo 66". Andere Nummern sind Wünsche: "Dear Mary" von der Steve Miller Band trug sein Manager Stefan Rath an ihn heran. Tina Turners "Private Dancer" wiederum ist eine Kindheitserinnerung des 34-Jährigen. Denn das Wirken an der neuen Platte rührt auch an der Zeit, als Zimmer mit 18, 19 Jahren begann, Musik zu machen, damals noch in seiner Heimat Offenburg. Wie die meisten Anfänger spielte er Stücke nach und beginnt mit Mitte 20, eigene Alben aufzunehmen.

Markantestes Instrument war stets seine hohe Stimme, die er nun aber zunehmend in tiefere Gefilde führt. Ein Indiz für Veränderung. Denn sein künftiges Schaffen möchte der Musiker, der derzeit Interdisziplinäres Design studiert, unter seinem bürgerlichen Namen Patrick Siegfried Zimmer absolvieren. Die Phase als finn. fühlt sich für ihn beendet an, seine Persönlichkeit sei jetzt geschlossener.

Sein letztes Album unter Pseudonym berührt. Die Förderung durch die Hamburger Kulturbehörde hat dieses feine Werk allemal verdient. Für Zimmer selbst geriet die Arbeit ein ums andere Mal zur Lehrstunde in Sachen Musikgeschichte. "Crying In The Rain" etwa kannte er bisher nur von a-ha, entdeckte dann aber die Single der Everly Brothers von 1962 und setzte sie mit Tocotronics Dirk von Lowtzow um. Ein zartbitteres Bekenntnis zum Kitsch.

Natürlich ist finn. nicht der Erste seiner Art. Es gibt etwa die Amerikanerin Cat Power. Oder Johnny Cash. "Wenn ich 'Hurt' von ihm höre, was ja eigentlich von Nine Inch Nails stammt, fange ich jedes Mal an zu heulen, jedes Mal." Offensichtlich auch beim bloßen Gedanken daran. Denn während Zimmer von Cash erzählt, beginnen seine Augen zu schwimmen. In der Schanze setzt derweil die Dämmerung ein. Das Cafévolk liest und redet und schaut das Kopfsteinpflaster entlang. Die eigenen fremden Songs von finn. würden gut in diese Atmosphäre passen. Die Häuser scheinen vertraut. Und doch sieht jeder etwas anderes.

finn.-Release: Fr 29.4., 21.00, Golem (Bus 112), Gr. Elbstr. 14, Eintritt: frei; www.sundayservice.de