“Hot Sauce Committee Part 2“, das neue Album der Beastie Boys, singt das Hohelied der tiefen Töne. Ein Sound, geprägt von 25 Jahren Bandhistorie.

Wir schreiben das Jahr 1986. Ronald Reagan ist Präsident der USA, Helmut Kohl ist Bundeskanzler, in Tschernobyl explodiert ein Atomkraftwerk. Und in New York vollenden drei gerade dem Teenie-Alter entwachsene weiße Jungs den Wechsel vom Hardcore-Punk zum Hip-Hop. Adam Yauch, Michael Diamond und Adam Horowitz nennen sich selbst die Beastie Boys und ihr Debütalbum "Licensed To Ill". Das schafft es nicht nur auf Platz eins der US-Charts, es bringt dem Trio auch eine denkwürdige Überschrift im Musikmagazin "Rolling Stone" ein: "Three Idiots Create A Masterpiece".

Das Gefühl, das aus dieser Zeile spricht, trägt das Trio durch ein Vierteljahrhundert Bandgeschichte. In augenzwinkernden Texten und wunderbar chaotischen Musikvideos, in treibenden Beats und komplexen Samples, in Genre-Mischungen und Hip-Hop-Hymnen beweisen sie ein ums andere Mal, dass sie sich selbst nicht ganz, ihre Musik aber umso ernster nehmen.

Auf dem morgen erscheinenden Album "Hot Sauce Committee Part 2" werden sie diesem Ruf einmal mehr gerecht. Mit einiger Verzögerung.

Denn bereits im Mai 2009 wurde "Hot Sauce Committee" für den Herbst desselben Jahres angekündigt, ein zweiter Teil für einen späteren Zeitpunkt. Doch zwei Monate später traten Adam "MCA" Yauch und Adam "Ad-Rock" Horovitz vor die Kamera und erklärten in einem dreiminütigen YouTube-Video, dass Yauch an Krebs erkrankt sei. An einer behandelbaren Variante zwar, dennoch waren alle Pläne der Band über den Haufen geworfen.

Doch bedeutete die Krankheit nur eine Pause, nicht das Ende der Band. Yauch befindet sich auf dem Weg der Besserung, dementiert aber weiterhin, bereits vollständig geheilt zu sein.

Dass nun der zweite Teil von "Hot Sauce Committee" zuerst erscheint, der erste irgendwann später oder gar nicht, erklären die beiden Adams und Michael "Mike D" Diamond wortreich und hoch kompliziert. Dampft man die augenscheinlich mit viel Spaß an der Verwirrung formulierten Begründungen auf die Fakten ein, bleibt die Erkenntnis: Die Platte erscheint am Freitag genau in der Form, in der sie bereits 2009 hätte herauskommen sollen. Nur der Titel hat sich geändert.

Wichtiger als die Namensspielereien ist aber der Inhalt: 16 Titel, die unter einem tief stehenden Stern namens Bass stehen. Man fragt sich oft, ob die Songs gleich in den Infraschall abtauchen, einfach aus dem für Menschen wahrnehmbaren Bereich herauskollern, während die Gläser im Regal, die Füllungen in den Zähnen und die Scheiben der Fenster im Takt vibrieren.

Die Herrschaft des Sound-Kellers beginnt schon beim Opener, der bereits vorab als Single veröffentlichten Old-School-Reminiszenz "Make Some Noise". Ob es psychologisch wirklich schlau ist, ein Album mit schon bekanntem Material zu eröffnen, sei einmal dahingestellt. Aber irgendwie hat "Make Some Noise" den prominenten Platz verdient. Als Beastie-Boys-Fan fühlt man sich sofort zu Hause, erinnert sich an die Zeiten von "Check Your Head" und "Licensed To Ill", wird behutsam eingestimmt auf eine weitere Weiterentwicklung des ganz spezifischen Beastie-Boys-Stils, der immer verspielt wirkt, dabei aber ungeheuer durchdacht ist.

Das Sampling, die Strukturen von "Say It" und "Funky Donkey", von "Tadlock's Glasses" und "Lee Majors Come Again" oszillieren zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Band, zwischen Punk und Daft Punk, zwischen Hip-Hop und Funk, mit Ausflügen in den Dub und den Rap-Rock.

Auch, wenn man im Zeitalter von iTunes und Amazon daran gewöhnt ist, sich bloß die Rosinen aus einem Album herauszupicken, sollte man sich das gesamte "Hot Sauce Committee Part 2" gönnen. Sonst entgehen einem die vielen Schattierungen, zu denen die grauen Eminenzen des kreativen Raps fähig sind, sonst bleibt man bei Krachern wie "Too Many Rappers" hängen, ohne sich jemals zum tiefenentspannten "Multilateral Nuclear Disarmament" zurückgelehnt zu haben.

Passend zum Jubiläum haben die Herren nebenbei einen halbstündigen Kurzfilm mit Staraufgebot bei YouTube veröffentlicht: "Fight For Your Right - Revisited" dreht die angebliche Zerstörungshymne weiter. Und genau wie beim 25 Jahre alten Original wird auch heute einigen die Ironie entgehen, die das scheinbare Lob der Anarchie auf den Kopf stellt. Missverstanden zu werden: Auch das gehört dazu, wenn man als genialer Idiot gilt.

Beastie Boys: Hot Sauce Committee Part 2 (Emi), VÖ: 29.4.; www.beastieboys.com