Der Psychothriller “La Lisière - Am Waldrand“ führt in eine dunkle Zwischenwelt.

Das Böse lauert in der Provinz, nicht in der Hauptstadt. Das zumindest glaubt man in der Metropole Paris. Das Verhängnis kündigt sich also früh an, als der junge Arzt François (Melvil Poupaud) aus unbekannten Gründen von Paris in die Neubausiedlung "Hügel von Beauval" eines Provinzkaffs umsiedelt. Hinter dem scheinbar so durchdesignten Äußeren lauern eine gefährliche Langeweile unter den Erwachsenen und eine in eine Parallelwelt abdriftende Jugend. Die ergeht sich des Nachts am Waldrand in Ritualen von Verführung und Gewalt.

Unübersehbar hat sich die junge Regisseurin und Drehbuchautorin Géraldine Bajard für ihren Mix aus Psycho- und Mysterythriller "La Lisière - Am Waldrand" einiges bei Hitchcock und Lynch, aber auch bei der Ästhetik der Berliner Schule abgeschaut. Bajard studierte an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, ihre Cutterin ist Mitarbeiterin von Christian Petzold und unter den Produzenten liest man den Namen Hans-Christian Schmid.

Deren Qualitäten schlagen sich inhaltlich und ästhetisch in diesem verstörenden Film nieder, in dessen Verlauf der seltsam willensschwache François zur sexuellen Projektionsfläche der jungen Mädchen, vor allem der 14-jährigen Claire (Alice De Jode), wird - und zum Hassobjekt des Anführers Cédric.

Als ein zwölfjähriges Mädchen bei einer Mutprobe umkommt, sind die Reaktionen darauf wie der ganze Film. Seltsam unsentimental. Die Jugendlichen halten dicht, die Eltern pflegen ihre Lethargie und die Polizei agiert ohnmächtig. Unter der Oberfläche brodelt die nächste Katastrophe herauf. "La Lisière" liefert keine Handlungsmotivation, aber er führt mit Raffinesse eine Gesellschaft der emotionalen Verrohung vor, bei der die Mechanismen des Mitmenschlichen längst versagt haben.

Bewertung: empfehlenswert

La Lisière - Am Waldrand F 2010, 100 Minuten, ab 16 J., R: Géraldine Bajard, D: Delphine Chuillot, Georg Friedrich, Filip Peeters, Melvil Poupaud, Hippolyte Girardot, Alice De Jode u.a., täglich im 3001-Kino; www.la-lisiere.realfictionfilme.de