Zwei Filmporträts zeigen Carlos Kleiber, den großen Dirigenten. Musiker wie Placido Domingo, aber auch Kleibers Maskenbildnerin kommen zu Wort.

"Schauen Sie dieses Gesicht an - welche Energie davon ausgeht! Wenn Kunst die Nabelschnur zum Göttlichen ist: Der hängt an dieser Nabelschnur!" Klaus König, Oboist an der Bayerischen Staatsoper, bekommt noch immer leuchtende Augen, wenn er über Carlos Kleiber spricht. Er hat selbst häufig unter ihm gespielt und gehört zu den rund zehn Zeitzeugen, die im Dokumentarfilm "Spuren ins Nichts" von Eric Schulz zu Wort kommen. Darunter Musiker wie Placido Domingo und Michael Gielen, aber auch Kleibers Maskenbildnerin und seine Schwester Veronika, die das erste Mal zu einem Interview bereit war. Angelpunkt aller Gespräche ist ein Probenmitschnitt aus Stuttgart von 1970. Eine der ganz seltenen Gelegenheiten, bei denen Kleiber sich während der Arbeit beobachten ließ.

Der Regisseur hat diesen alten Film allen Interviewpartnern gezeigt. Aus ihren Kommentaren entsteht nach und nach ein Porträt des faszinierenden Künstlers. Der Dirigent Manfred Honeck etwa beschreibt die plastische Sprache Kleibers. Und Brigitte Fassbaender schwärmt von seinen Armen und Händen, die "eine spezielle Aura hatten". Schulz überblendet solche Aussagen mit Archivaufnahmen von Kleiber, und er nimmt sich Zeit, die Reaktionen der Vertrauten zu betrachten: Auf ihren Gesichtern spiegelt sich das, was der Maestro auslöste. Eine starke Idee, die sein besonderes Charisma spüren lässt.

Kleibers Neurosen, seine panische Angst zu versagen, aber auch sein tyrannisches Auftreten werden von Schulz thematisiert, ausführlicher aber geschieht das in Georg Wübbolts Porträt "Ich bin der Welt abhanden gekommen". Wübbolt blickt kritischer auf Kleiber, er hat mehr Gesprächspartner und betont den Collagencharakter durch die kürzere Schnittfolge. Der Film von Eric Schulz beschwört dagegen vor allem den Zauber des Dirigenten und hat einen Erzählrhythmus, der sich an die Musik anschmiegt. Auch wer Carlos Kleiber nicht mehr live erlebt hat, bekommt in beiden Dokumentationen einen lebendigen Eindruck von diesem hypersensiblen Dirigenten.

Spuren ins Nichts (Regie: Eric Schulz), Arthaus

Ich bin der Welt abhanden gekommen (Regie: Georg Wübbolt), Naxos