Die Galerie der Woche Von Loeper zeigt fernöstliche Ästhetik von Hyun-Sook Song, einer in Hamburg lebende Koreanerin.

Hamburg. Wie viele Pinselstriche braucht die Malerei, um daraus ein Bild entstehen zu lassen? Roy Lichtenstein genügte ein einziger, sein "Brush Stroke" wurde poppiger Zeitgeist mit musealem Nachleben und -beben in Werbung und Mode. Einen ganz anderen Umgang mit Pinselstrichen pflegt hingegen die fernöstliche, an Kalligrafie erinnernde Malerei. Jeder Strich muss sitzen, darf nur einmal gezogen werden, ohne Übermalung und Korrektur. Es ist eine meditative Malerei, die mit minimalen Setzungen auf größtmögliche Komplexität zielt.

Zu ihren Vertreterinnen zählt auch die nahe Hamburg lebende Koreanerin Hyun-Sook Song. Jüngere Gemälde und Arbeiten auf Papier von ihr zeigt zur Zeit die Galerie von Loeper. "6 Pinselstriche", "12 Pinselstriche" oder "8 Pinselstriche" - viel verraten die Bildtitel nicht, mehr aber die Bilder selbst. Auf monochromem Grund, einem stumpfen satten Schwarz, einem verhaltenen Ocker oder mattem Grün zieht Hyun-Sook Song ihre breiten Pinselstriche. Sie verwandeln sich in Schleier, tönerne Gefäße, in Stangen, Knoten oder in Gewand und Frisuren einzelner Frauen.

Vor allem aber gewinnen sie gegenüber den flächigen Gründen an Plastizität und Volumen. Jedes einzelne Pinselhaar nuanciert den Strich, verwandelt Farbe in Licht, Schatten, Stofflichkeit und Materie. Ein Spiel mit der Illusion, das hier Hyun-Sook Song betreibt, dennoch keine Illusionsmalerei. Die Verwandlung von Farbe in Materie und umgekehrt spielt mehr auf die Vergänglichkeit alles Irdischen, auf den bewusst setzenden Akt kultureller Arbeit ab.

Doch so kurz das Leben auch dauern mag, so nachhaltig sind seine grundlegenden Metaphern, für die Hyun-Sook Song immer wieder ähnliche Motive findet. So lässt sie auf einem tiefen Schwarz zwei Stangen ein Dach tragen. Ein Haus, könnte man meinen, und doch ist es mehr. Hier sind auch die in ihm Lebenden abgebildet - in Gestalt zweier Stangen, durch den hellsten Fleck im Bild, einem weißen Knoten, aneinandergebunden.

Was hier Lebensbindung und gemeinsames Obdach in einem ist, lebt folglich von der Wahrung der tragenden Balance und inneren Spannung dieser Konstruktion. Weder Fundament noch Verwurzelung im Boden geben ihr sicheren Halt. Man kann es sich förmlich selbst ausmalen was passiert, wenn aus der Bindung eine Fessel wird und sich der Lebensknoten, das Licht im Bild, verdunkelt.

In den wenigen Motiven schwingen stets auch Erinnerungen der Künstlerin an ihre Heimat mit. Ein Tiger schleicht sich ins Bild, anderswo verraten Dachkonstruktionen ihre fernöstliche Herkunft. Doch hinter den Schleiern der Stoffbahnen, die sie mit sich zieht oder hinter sich lässt, zeigt sie sich aktiv am Weben des Lebens beteiligt.

Galerie Gabriele von Loeper bis 30.6.: Hyun-Sook Song, Bilder und Papierarbeiten, Di/Do 13.00-19.00, Sa 12.00-15.00, Eppendorfer Landstraße 44