US-Star R. Kelly ließ die Fans in der Großen Freiheit lange warten

Hamburg. R. Kelly ist ein Weltstar. Das denkt sich zumindest R. Kelly. Gut, der R-'n'-B-Beau aus Chicago hat in den vergangenen 20 Jahren knapp 40 Millionen Tonträger abgesetzt, aber die 1200 Besucher in der Hamburger Großen Freiheit 36 fast drei Stunden zu den Beats eines zweitklassigen DJs warten zu lassen ist des Ego-Trips schon ein wenig zu viel. Außerdem sollte auch "Kells" mitbekommen haben, dass der verschwenderische Lebensstandard nur noch mit Konzerten zu erhalten ist: Seine letzten Alben "Untitled" (2009) und "Love Letter" (2010) waren auch in seiner Heimat kommerzielle Flops.

Vielleicht hat Kellys angebliche, gerichtlich längst beigelegte Sexvideo-Affäre mit einer Minderjährigen das Interesse schwinden lassen. Die Konkurrenz hat jedenfalls nicht geschlafen, zum Genre-Kollegen Usher pilgerten im vergangenen März 12 000 Fans in die O2 World. Aber dann kommt er, der Star, doch noch mit seiner sechsköpfigen Band auf die Bühne, und das vorher noch buhende Publikum verzeiht schnell - und besteht zur ersten von ungezählten (!) Aufforderungen Marke "Sexy ladies! Put your hands in the air!" den Kreischtest.

Die Beats knarzen, der Sampler wühlt in irgendwelchen 90er-Archiven und R. Kelly rollt akustische blaue Samtjacken vor Kaminfeuern aus, auf denen sich mit Kokosöl eingeriebene Körper umschlingen. Hier geht es um Liebe und Liebemachen. Komm mal lecker bei mich bei, mit und ohne Sonnenbrille, mit und ohne vom Roadie dargereichten Getränken.

Die Freiheit kreischt ekstatisch, während Kells bei "Seems Like You're Ready" und "I Wish" mit der Zunge schmalzt. Und wenn es nicht um die Liebe geht, dann wird eine "Fiesta" gefeiert. Oder eher 70 Minuten lang abgeliefert, professionell aufgezogen und gut gesungen. Aber mit Soul, den R. Kelly auf "Love Letters" zu zelebrieren glaubt, ist in der Freiheit nicht zu rechnen. "I Believe I Can Fly" ist zwar auch heute noch eine gelungene Pop-Ballade, aber Mister R. ist kein Michael Jackson, Marvin Gaye oder Ray Charles. Sondern nur ... ein Kelly.