Dream Pop? Shoegaze? Auf jeden Fall präsentiert die New Yorker Band Asobi Seksu heute im Klub Indra auf dem Kiez ihren effektvollen Sound.

Indra. Das musikalische Sub-Genre des Shoegaze entsteht in den 80er-Jahren in Großbritannien im Umkreis von Bands wie Cocteau Twins, My Bloody Valentine und The Jesus And Mary Chain. Diesen Bands gemeinsam sind meterdicke Gitarrenwände, die mit polyfonen Klängen und Synthie-Effekten verwoben werden. Die britische Musikpresse erfindet dafür den Begriff Shoegaze ("auf die Schuhe starren"), weil die versierten Gitarristen aus vielen Bands dieser Richtung bei Live-Konzerten während des Spielens den Kopf nach unten beugten, anstatt Blicke mit dem Publikum auszutauschen.

Dieser Umstand wurde von der Presse als Schüchternheit verklärt und legendärisiert, als Anzeichen, dass die Musiker - in einem Meer aus Sound verloren - völlig entrückt sind, in ihrer eigenen Welt. So viel ätherischen Raum die schwebenden Gitarrenflächen den Zuhörern auch bieten mögen - wahrscheinlich blicken die Musiker auch einfach die ganze Zeit nach unten, weil die wie Tretminen auf der Bühne verstreuten Effektgeräte von ihnen konzentriert bedient werden wollen.

Asobi Seksu hat sich dieses 25 Jahre alten Erbes angenommen. Die Band um den Gitarristen James Hanna und die Sängerin Yuki Chikudate nimmt Elemente des Shoegaze und Dream Pop auf, sie stechen offensichtlich aus den Songs des vor zehn Jahren gegründeten Projekts heraus.

Doch da ist noch etwas anderes: die Sehnsucht, das Klischee des introvertiert zu Boden blickenden Musikers zu untergraben. Auf der im Februar erschienenen Platte "Fluorescence" ist es die äußerst feminine Stimme der Sängerin, die sie im Vergleich zu den Vorgängeralben stark und facettenreich weiterentwickelt hat.

Yuki Chikudate wurde in Japan geboren, verbrachte ihre Kindheit in Kalifornien und ging dann mit 16 Jahren alleine nach New York, in die Stadt, in der auch die Noise-Könige von Sonic Youth zueinanderfanden. Ihre japanische Herkunft dürfte auch den etwas kruden Bandnamen bedingen, der übersetzt so viel wie "verspielter Sex" bedeutet.

Auch die Texte werden von Chikudate zum Teil auf Japanisch vorgetragen, doch der Unterschied zum Englischen ist marginal - die Sprache zerläuft in der Musik. Es geht ohnehin viel mehr um Stimmung, um Gefühl, ja fast schon um Synästhesie: Die Stimme der Japanerin thront glockenhell über melodischem Lärm, und man hat das Gefühl, die Farben eines Regenbogens würden wild ineinanderfließen. An Stellen wie diesen wirkt der Bandname besonders gut gewählt.

So wie in dem Stück "Red Sea" von der Durchbruchsplatte "Citrus" von 2006. Das knapp achtminütige Epos wächst sukzessiv von einem leise aufkeimenden Ton über einen melodiös organisierten Indie-Rocksong zu einer wahren Feedback-Welle. Ein immer schneller werdender Fluss.

Apropos fließen: Das neue Album heißt nach dem physikalischen Begriff der Fluoreszenz, der spontanen Emission von Licht beim Übergang eines elektronisch angeregten Systems in einen Zustand niedrigerer Energie. Das ist treffend, lösen Lärm und Leise sich doch ab - und das immer fließend, elektrisch verstärkt und übersteuert. So mancher Musiker hat in diesem Fluss sogar schon seine Schuhe verloren.

Asobi Seksu heute 21.00, Indra (S Reeperbahn), Große Freiheit 64, Eintritt 18,-; www.asobiseksu.com