Etta Scollo sang von den Spielarten der Liebe, gespiegelt in den Worten und Tönen italienischer Poeten und Sänger der 30er- bis 60er-Jahre.

Hamburg. Was für ein Abend, welch eine Stimme! Wenn die sizilianische Berlinerin Etta Scollo zur Premiere eines Programms einlädt, dann darf man sicher sein, dass sie ihr Publikum für einen hochintelligenten, auf den Punkt kalkulierten Rundgang an die Hand nimmt. Motto diesmal im St.-Pauli-Theater: "Cuoresenza". Was in etwa meint: die Spielarten der Liebe, die nie ganz das wird, was sich die Liebenden anfangs darunter vorgestellt haben.

Es geht um Kapriziöses und Vergebliches, um Sehnsucht und Getrenntes, um Vertrocknetes und die Glut unter dem Eis - gespiegelt in den Worten und Tönen italienischer Poeten und Chansonschreiber der 30er- bis 60er-Jahre. Enzo Jannacci, Domenico Modugno, Stefano Benni, Franco Battiato und andere - sie finden in Etta Scollo ein großartiges Medium, das sie wieder zum Leben erwachen lässt. Ebenso selbstverständlich findet sie die großen Gefühle in uralten Texten, gräbt sie in maurischen Rhythmen aus, singt sich zurück in jene seltenen Epochen, in der andere Kulturen als Bereicherung empfunden wurden, nicht als Bedrohung.

Wer Scollo hört, leidet mit, liebt mit, ist verzweifelt, verzagt, entschlossen. Sie kann mit ihrer Stimme viele Register hervorzaubern, kann piepsen wie ein waidwunder Singvogel, in der Tiefe zart sein oder so ungestüm, roh und wild schreien, dass sie in Palermo mühelos eine Horde Fischweiber vor sich hertreiben könnte. Allein das ist ein Erlebnis, das noch durch ihre zauberhaften Moderationen verstärkt wird.

Ihr reizend stolperndes Deutsch macht aufmerksam auf Untiefen ihrer Fremdsprache, die ja - laut Tucholsky - bekanntlich da am schönsten ist, wo sie an den Rändern gen Wahnsinn hin verschwimmt. Scollo spielt damit, scheinbar absichtslos abgedreht, aber immer übervoll der Gefühle, die im nächsten Chanson aufscheinen.

Im ersten Teil des Abends erscheint sie noch etwas nervös, was den fein arrangierten Sound ihrer vorzüglichen Band (Akkordeon, Klavier, Cello, Schlagwerk und Gitarre bzw. Mandoline) hin und wieder akademisch und eine Spur zu deutsch-ernst klingen lässt. Doch im zweiten Teil sang sich Ettta Scollo zusehends frei, vom Publikum dankbar registriert und mit einem großen Applaus bedacht, der vier Zugaben einforderte.