Das Symposium über Jerusalem im Axel-Springer-Haus stand im Zeichen der Aussöhnung und des Dialogs zwischen Deutschland und Israel.

Hamburg. Ein bisschen Luxus hat noch niemandem geschadet. Umso weniger, wenn es sich um einen Luxus handelt, der nicht mit Juwelen, Kaviar und teuren Autos prunkt, sondern allein mit dem Reichtum des Geistes. Nahrung für das Geistige im Überfluss bot das Symposium "Jerusalem - Die Farben der himmlischen Stadt", das gestern in der obersten Etage des Springer-Hauses einige exzellente Wissenschaftler und Künstler mit einem Publikum zusammenbrachte, das sich auf die eine oder andere Art für den Dialog zwischen Deutschland und Israel einsetzt - ausdrücklich auch in der Tradition des Verlegers Axel Springer, für den die Aussöhnung zwischen den beiden Ländern zur tiefsten Herzensangelegenheit seiner letzten 20 Lebensjahre wurde.

Insofern verstand sich für Claus Strunz, Chefredakteur des Abendblatts, die Gastgeberschaft für das Symposium von selbst. Es erwies sich als gewaltiger, doch in vielen feinen Tönen schwingender kulturgeschichtlicher Resonanzraum für die Klänge, die beim morgigen Konzert der Hamburger Symphoniker zu Jerusalem zu erwarten sind. Und war doch unendlich viel mehr und etwas ganz anderes als eine ausufernde Konzerteinführung.

Daniel Kühnel, Intendant der Symphoniker und Ideengeber der Tagung, setzte den Verstand der Zuhörer gleich zu Beginn mit dem Paradox unter Spannung, dass Jerusalem hinsichtlich seines Konzertlebens ja keineswegs eine bedeutende Musikstadt sei. Über keine andere Stadt der Welt aber sei mehr Musik geschrieben worden als über Jerusalem. Damit Hamburg zur Musikstadt werden könne, bedürfe es einer Metamorphose, eines künstlerischen Umwandlungsprozesses. Dazu gehöre ein musikalischer Umgang der Menschen untereinander. Ohne großes Hälseverrenken bot sich manchen Zuhörern durch die Fenster ein prächtiger Blick auch auf Hamburgs schönste und teuerste Baustelle an der Elbe. Kühnels gesellschaftlich-künstlerische Utopie setzt offenkundig darauf, dass eine neue musikalische Signatur dieser Stadt ein Bewusstsein von sich selbst einprägen könnte, das ihre Identität viel stärker und nachhaltiger verändert als jede Architektur.

Inwieweit Jerusalems besondere Architektur und, eng mit ihr verknüpft, die 5000 Jahre währende Geschichte der Stadt unter vielfach wechselnder Herrschaft Ansprüche, Heimatgefühl und Ewigkeitsvorstellungen der drei monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Islam begründet, legten Professor Achim Lichtenberger von der Universität Münster und Professor Hans-Georg Soeffner, Emeritus für Soziologie an der Universität Konstanz, in ihren Referaten überaus lehrreich dar. Insbesondere Soeffner glückte eine imposante Tour d'Horizon durch das "Phänomen Jerusalem". Tröstlich zu wissen, dass es Köpfe wie den seinen gibt, in denen sich die Geschichte der Mythen mit dem Mythos der Geschichte als keineswegs unentwirrbares Knäuel zusammenballt, sondern dass bei ausreichend Nachdenken und Scharfsinn eine kluge analytische Fadenführung des Gewebes möglich ist.

Bashir Bashir, palästinensischer Wissenschaftler von der Hebräischen Universität Jerusalem, hielt ein flammendes Plädoyer für einen kreativen Befriedungsansatz des israelisch-palästinensischen Konflikts jenseits der von vielen angestrebten Zweistaatenlösung. Jerusalem sei unteilbar und eins, in ihr verkörperten sich die Dichotomien Erde und Himmel, arabisch und jüdisch, West und Ost. Bashir sieht den für Jerusalem behaupteten Punkt der größten Nähe zwischen Himmel und Erde als Chance zur Versöhnung. Die arabische Intelligenz, verkörpert durch Persönlichkeiten wie Edward Said oder Mahmoud Darwish, habe längst erkannt, dass die Anerkennung der besonderen jüdischen Geschichte, der Verfolgung, des Antisemitismus und der "jüdischen Rechte im historischen Palästina" ein "moralischer Imperativ" für Araber und Palästinenser seien.

Peter Ruzicka und Elmar Lampson, beide mit Werken beim morgigen Konzert vertreten, boten bewegende und anregende Einblicke in ihre Ideenwelt. Einziger Wermutstropfen: So viele kluge und gute Gedanken gehören an die große Öffentlichkeit, nicht nur in einen kleinen Kreis.