Hamburg. Wenn Kunst auch die Aufgabe hat, den Menschen voll und ganz in die Gegenwart zu bringen, dann war "Sacre 3D" am Freitag und Sonnabend auf Kampnagel ganz große Kunst. Alexander Skrjabins Orchesterfantasie "Le Poème de l'extase" verwandelten die NDR-Sinfoniker unter der ungemein biegsam, zugleich furios und energisch agierenden chinesischen Dirigentin Xian Zhang in ein Katapult stiller Sitzekstase. Berauschend, mit welcher Präzision und welchem Maß an Feinzeichnung das Werk hier aufblühte. Ort und Musik gingen eine überaus glückliche Symbiose ein.

Bei Klaus Obermaiers 3-D-Vision von Igor Strawinskys "Sacre du printemps" blieben bei aller Faszination für die meditative Akrobatik der Tänzerin Julia Mach und die klug gedachte Projektion ihrer Bewegungen in den dreidimensionalen Raum doch Wünsche offen. Die mit dem Computer in Echtzeit manipulierten Bilderwelten waren ein toller Trip. Doch so schön und sinnfällig die Metaphysik der Schriftzeichen den virtuellen Raum der Tänzerin begrenzte - vom ersten slawischen Alphabet bis zu an den "Matrix"-Film erinnernden Zahlenreihen des Computerprogramms: Choreografisch ist das Stück nicht überzeugend durchgearbeitet.

Dafür lud Obermaier zu Betrachtungen über den Kosmos und das große "Woher wohin" ein. In einer Sequenz sank die vom Computer vervielfältigte Julia Mach wie in immer neue Schöpfungskokons gehüllt durch Spiralnebel aus großer Höhe in den zum Greifen nahen Raum. Ein Stirb und Werde der Dritten Art, mindestens.