Frank Peter Zimmermann und Piotr Anderszewski begeisterten

Hamburg. Wer hat eigentlich gesagt, dass der gute alte Sonatenabend ausgedient hat? Der Geiger Frank Peter Zimmermann und der Pianist Piotr Anderszewski haben ihren nicht einmal neudeutsch als "Recital" überschrieben, der Große Saal der Laeiszhalle war trotzdem erfreulich voll.

Passend zum Wetter eröffneten die beiden mit Beethovens "Frühlingssonate", diesem Evergreen unter Beethovens Violinsonaten. Von den offenkundig zahlreichen Geigern im Publikum konnte sie vermutlich jeder mitsingen. Aber nicht so. Nicht so kammermusikalisch, so heiter und dabei so innig.

Es war beglückend, mit welcher Ruhe die beiden gemeinsam phrasierten, die Musik atmen ließen und auch stilistisch zusammenfanden. Zimmermann zauberte mit dem Bogen; immer hatte er noch Raum für eine kleine Wendung. Von der historischen Aufführungspraxis war sein Spiel wenig geprägt, wie man an seinem starken Vibrato und dem mitunter raubeinigen Zugriff auf die Saite hören konnte - aber es störte fast nie: Was immer er tat, es hatte musikalisch Sinn.

Anderszewski wiederum, cembalogeschult, sorgte für Witz und rhetorische Artikulation und federte die Stellen ab, an denen Zimmermann mal etwas zu brachial zupackte. Selbst wo sie im äußersten Pianissimo verschwanden, war noch Klangqualität.

Auch Robert Schumanns Sonate in d-Moll, diese lange Wanderung durch die Seelenabgründe des Komponisten, brachten die beiden auf Spannung. Da war Platz für endlose, verwickelte dramatische Steigerungen, aber auch für liedhafte Versunkenheit. Die beiden Instrumente verschmolzen geradezu im Klang. Nur die Oberfläche hätte man sich weniger poliert vorstellen können, da hätten ein paar Farben und Kontraste mehr nicht geschadet.

Welches Spektrum den beiden zur Verfügung steht, das führten sie im aufregendsten Teil des Abends vor: bei den "Mythen" des Polen Karol Szymanowski. Komponiert auf drei Gedichte, erzählten die auf kleinstem Raum naturhafte, allegorische Geschichten. Hinreißend, wie die Violine mit lauter Flageolett-Tönen die Flöte Pans beschwor, wie vor dem geistigen Auge des Hörers sich Wasser impressionistisch kräuselte, die Luft flirrte und Vögel zwitschern. Und das alles mit einer Virtuosität, die nie Selbstzweck war.

Das Publikum dankte es den Künstlern. Nur wenige Huster störten, die Aufmerksamkeit war förmlich zu greifen. Die Sätze durften über den letzten Ton hinaus verklingen, ohne dass irgendjemand diese Aura vorwitzig zerklatscht hätte. Seltenes Glück.