In “Wir sind Hundert“ fransen Text und Lebensentwürfe in der Thalia-Garage ins Beliebige aus

Hamburg. Das Ich ist verwirrt. Zu welchem Lebensentwurf soll es sich in dieser zerfaserten Welt wenden? Wer ist es und wenn ja wie viele? "Wir sind Hundert", lautet die Antwort des schwedischen Autors Jonas Hassen Khemiri in seinem neuen Stück, dessen deutschsprachige Erstaufführung sich das Thalia-Theater sicherte. Das Thema der Ratlosigkeit setzte sich bei Regisseurin Susanne Schwarz in der Thalia-Garage allerdings ins Diffuse fort.

Wie bereits in seinem Erfolgsstück "Invasion!" arbeitet Khemiri mit einer Textcollage als Versuchsanordnung. Die Zuschauer beobachten drei Identitätssucher beim Verzweifeln ob des Meeres der Möglichkeiten. So sehr, dass sie zunächst vom Hochhaus springen wollen. Springen werden sie, wenn auch nur in den nächsten Lebensentwurf. Das Leben ist so offen, wie die weiß gepinselten Möbel in Ikea-Norm, die noch auf wohnliche Gestaltung warten.

Jede Entscheidung verheißt neue Unzufriedenheit. Ob der Grafiker (Rafael Stachoviak) mit Nerd-Brille sich im kleinen privaten Glück mit der Freundin (Nadja Schönfeldt) versucht. Oder später, um dem "widerlich verzwangsjackten" Leben - vorübergehend - zu entkommen, zu Weltreise und politischer Poesie aufbricht. Der Dritte im Bunde (Daniel Lommatzsch) ist restlos erschöpft von der Ich-Suche. Tapfer spielen die Akteure gegen den mäandernden Text und ein fehlendes Konzept an. Das Ergebnis ist so beliebig wie die vielgescholtene Postmoderne. Der hinter der Irritation schwelende jugendliche Wille zur Revolte hätte deutlich mehr Aktion verdient.

"Wir sind Hundert" weitere Vorstellungen 24.4., 5.5., 25.5., Thalia in der Gaußstraße (Garage), Gaußstr. 190, T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de