Hamburg. Vielleicht ist es die schlichte Lust an der Provokation. Deutsch-Rocker Heinz Rudolf Kunze, 54, hat seine eher im politisch linken Lager verorteten Fans schon des Öfteren verstört. Mal mit einem klaren Bekenntnis zur FDP, dann mit öffentlicher Sympathie für den ehemaligen US-Präsidenten Georg W. Bush, neuerdings mit Auftritten bei Carmen Nebel. Die findet der frühere Studienreferendar nämlich eine "intelligente Frau" und "wunderbare Gastgeberin".

In einem Punkt konnten seine Anhänger gestern Abend in der Großen Freiheit indes sofort aufatmen. Die Phase seiner üblen Experimente in Sachen Brillenmode mit aufgestecktem Vampir oder Tigerfell ist vorbei. Kunze trägt ein klassisch markantes Modell wie beim Karrierestart vor 30 Jahren.

Ein erstes Signal, dass sich Kunze zu den Anfängen seiner Karriere bekennt. Passend zum Bühnenjubiläum sang er denn auch seine großen Hits - allen voran "Dein ist mein ganzes Herz", den Gassenhauer der 80er. "Ihr nehmt mit meine Hamburg-Angst", freute sich Kunze über den lautstarken Applaus.

Die FDP-Kehrtwende in Sachen Atomenergie hat der Musik-Liberale angesichts der Katastrophe in Japan übrigens auch vollzogen. Noch während der Tourproben textete er ein Anti-Kernkraft-Lied. Seine umjubelte Empfehlung: entspannen und abschalten. Und der Atomlobby wünschte er ein One-Way-Ticket nach Fukushima.

Ein Wendehals? Oder nur flexibel? Womöglich liebt Kunze schlicht die Selbstironie. Etwa wenn er sich über die Kritiker amüsiert, die ihm zu viel Nähe zum Schlager vorwerfen: "Ich schramme da nicht dran vorbei, ich mache Schlager."

Vor allem aber macht Kunze richtig guten Deutsch-Rock, zelebriert mit einer hochkarätigen Band. Die Fans feierten ihren Heinz, den Mann mit der markanten Brille, zweieinhalb Stunden lang. Der nächste Carmen-Nebel-Besuch ist hiermit verziehen.