Der Kunstverein zeigt Arbeiten der Pop-Art-Künstlerin Evelyne Axell und des dänisch-israelischen Malers Tal R

Kunstverein. Aus der Menschentraube ragen Walle-Mähnen, üppige Wimpern und viel nackte Haut. Angeführt werden die barbusigen Sitzdemonstranten von einer Blondine, die eine rote Flagge schwenkt. Die Künstlerin selbst steht bebrillt - und ansonsten nackt - mit Pinsel in der rechten Ecke, der Kunstkritiker Pierre Ressani mit erhobener Hand zur Linken.

Evelyne Axells Tryptichon "Le joli Mois de Mai" (Der schöne Monat Mai) von 1970, geboren aus dem Geist der Protestkultur der späten 60er-Jahre, wirkt in Zeiten empörter Wutbürger hochaktuell. Ihr Protest war farbenfroh, freizügig und feminin. Unverholen zitiert das Werk die das Volk anführende Freiheit von Eugene Delacroix von 1832. Es bildet das Herzstück der Schau "La Terre est ronde" mit Werken der lange unterschätzten Künstlerin (1935-1972), die bis zum 13. Juni im Kunstverein zu sehen ist.

Axell, eine glamouröse Schönheit, starb mit nur 37 Jahren bei einem Autounfall. Für die Kunst hatte sie nur sieben Jahre Zeit. Erst im Kontext feministischer Ausstellungen in den USA und in Wien wurde ihre Bedeutung für die Pop-Art weithin sichtbar und international angemessen gewürdigt.

Axell war zunächst Schauspielerin und Nachrichtensprecherin. In jungen Jahren traf sie Gregory Peck und Jean Cocteau in Cannes, flirtete mit Maximilian Schell. Später heiratete sie den französischen Dokumentarfilmer Jean Antoina. 1963 entschloss sie sich, aus dem Schatten der männlichen Pop-Artisten zu treten und den gesellschaftlichen Aufruhr zu verhandeln. Ratschläge holte sie sich bei dem Surrealisten René Magritte.

Im Zentrum ihrer Kunst steht stets der weibliche Körper, die Inszenierung der weiblichen Erotik in seiner damals noch skandalösen Nacktheit. In "La Terre est ronde. Variation sur Le Paysage" von 1971 räkelt sich eine mit Auto-Erotik beschäftigte nackte Frau vor einem Baum. In ihm mag die Schlange der Sexualität noch so sehr locken, diese Eva hat ihr eigenes Paradies gefunden - und das kommt ganz ohne männliches Prinzip aus.

Neben der farbig-ironischen Auseinandersetzung mit den neuen Freiheiten stehen gesellschaftliche Umbrüche. In "Angela Davis II" von 1972 hat sie die gleichnamige Politaktivistin gemeinsam mit einer bedrohlichen Spinne collagiert. In "Campus" von 1970 stößt eine Figur einen gigantischen Schrei aus, während schemenhafte Demonstranten von der Obrigkeit beschossen werden, eine Anspielung auf die Campusproteste in den USA und Paris. Andere Arbeiten spiegeln Phänomene der Hippiekultur, wie Gruppentherapie und Drogenrausch, allerdings auf ironische Weise.

Axell arbeitete auf halbtransparentem Acrylglas. Mit einer Elektrosäge schnitt sie Silhouetten aus und bemalte sie mit Kaltharzlack häufig von beiden Seiten. Heute wirken ihre Arbeiten, im Kunstverein auf bonbonfarbenen Wänden platziert, auf zeitlose Art feurig, mahnend, aber auch verzaubernd.

Die Axell-Ausstellung ist Teil einer Doppelpremiere. Wer die Treppe zum oberen Kunstvereinsraum erklimmt, muss im Geiste blitzschnell umschalten. Fast altmodisch wirken auf den ersten Blick die Arbeiten des israelisch-dänischen Künstlers Tal R mit ihren figürlichen Motiven und gedeckten Farben.

Die Schau "The elephant behind the clown" umfasst 20 aktuelle Werke im quadratischen Großformat. Scheinbar erleichtern sie den Zugang mit ihrer fast naiven Maltechnik. Schaut man genauer hin, entdeckt man in ihnen verstörende Bilduniversen, in denen Größenverhältnisse nicht zusammenpassen, Arme falsch am Körper sitzen und hohläugige Gesichter den Betrachter weltentrückt anstarren. Mythologisch aufgeladene Räume, voller Zirkusmotive, Pferde oder orientalischer Märchenlandschaften, sie entwickeln eine eigene Narration, bleiben jedoch stets in ihren Traumwelten verhaftet.

Auch Tal R verwendet eine besondere Maltechnik. Er bringt einen Mix aus schnell trocknendem Hasenleim und Pigmenten auf die Leinwand. Anders als Ölfarbe trocknet der rasend schnell. "In der Ölmalerei kann ich meine Arbeit immer wieder konstruktiv zerstören, wenn es nicht stimmt. Hier muss ich sehr präzise sein", sagt Tal R, ein blasser, uneindeutig lächelnder Mann in Karohemd mit Schirmmütze. Eigentlich heißt er Tal Rosenzweig. Während des Sechs-Tage-Krieges 1967 in Tel Aviv geboren, lebt er heute in Kopenhagen und stellte seine Arbeiten bereits in London und Maastricht aus.

Er räumt ein, dass seine Werke sich bei längerem Hinsehen in etwas verwandeln, was man nicht mögen würde, wenn es eine Person wäre. Wie ein Mensch, der mit zwei Zungen spricht. Er selbst hütet sich, seine Metaphern zu entschlüsseln. Das bleibt ganz der Fantasie des Betrachters überlassen.

Evelyne Axell: La terre est ronde/Tal R: The elephant behind the clown bis 13.6., Kunstverein Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di-So 12.00-18.00; www.kunstverein.de